Inventare Teil 5. Band 6. Gesamtinventar des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs (1938)
Die Urkundenabteilung von Paul Kletler
62 Die Urkundenabteilung. künden aber entstammt den Familienarchiven, die eben zu Putschens Zeit, in kaiserlichen Besitz gelangt, sich im Schatzgewölbe befanden. So finden sich hier im 4. Band Urkunden aus zahlreichen der großen Adelsarchive, wie z. B. Cilli, Hardegg (Maidburg), Walsee u. a., die wir bei Besprechung des 3. Bandes kennenlernten. Dort hätte Putsch sie auch einreihen sollen; er trennte jedoch eben, wie ja schon gelegentlich erwähnt wurde,1 derartige Urkunden, offenbar, weil sie ihm von geringerer Bedeutung schienen, ab und vereinigte sie im letzten Band seines Repertoriums. Besonders hervorgehoben seien in der Gruppe „gerichtshanndl“ die Urteilsbriefe der verschiedensten Aussteller: neben dem Herzog erscheinen die Stadtrichter und Bürgermeister von Wien, Tulln, Perchtoldsdorf, der Münzmeister von Wien, der Bergmeister des Stiftes Altenburg u. a.; ferner als besonders interessant auch die Abteilung Juden, deren Urkunden — meist Schuldbriefe auf Juden — aus dem Schatzgewölbe und aus zahlreichen Adelsarchiven (Pettau, Auffenstein, Schaunberg, Walsee, Görz, Schärffenberg u. a.) stammen; sie umfassen den Zeitraum von 1238—1523 und betreffen Juden in den meisten österreichischen Städten, vor allem in Laibach, Judenburg, Krems, Radkersburg, Wien, Klosterneuburg, Neunkirchen, Villach, Bruck a. d. M. Bei der Teilung des Jahres 1564 blieben alle diese Abteilungen in Wien; nur die Gruppen der Länder Steiermark, Kärnten, Krain und Por- tenau kamen an Erzherzog Karl. Diese nach Graz abgetretenen Urkunden kamen zum Teil wieder nach Wien zurück, und zwar vor Rosenthal, da sie weder in dessen Grazer Verzeichnis von 1752 noch im Repertorium XXIV (AB. 406) zu finden sind, wohl aber in Weinkopfs Österreichischem Repertorium (AB. 374 e) und im Repertorium I (AB. 375). Die nicht nach Wien zurückgelangten Urkunden sind heute scheinbar nicht mehr vorhanden. Die in Wien verbliebenen Urkunden sind heute in den Repertorien I (AB. 375) und III (AB. 378/4) eingetragen, und zwar die der Gruppen von Österreich unter und ob der Enns größtenteils im Repertorium I, die der Gruppen Juden bis Schluß zumeist im Repertorium III. Im einzelnen ist die Teilung zwischen diesen beiden Repertorien ziemlich willkürlich; es läßt sich nur sagen, daß die ältesten Urkunden und die auf Habsburger bezüglichen Stücke meist im Repertorium I stehen. Wir haben nun noch die übergangenen Abteilungen Cantzleyhandl und Raittungen zu besprechen. Leider muß gleich anfangs gesagt werden, daß von diesen beiden ungemein interessanten Abteilungen mit ihren über 300 Register- und Rechnungsbüchern heute fast nichts mehr vorhanden ist. Der Inhalt der verlorenen Archivalien ist jedoch so wertvoll — die Bücher erstrecken sich oft fast lückenlos über einen längeren Zeitraum, und zwar gerade vom Ende des 14. Jahrhunderts bis Mitte des 15. Jahrhunderts, also über die Zeit vor Kaiser Friedrich III., die an solchen Quellen nicht reich ist —, daß auch die bloße Aufzählung im „Putsch“ für unsere Erkenntnis der landesherrlichen Wirtschaftsführung, Verwaltung, Verrechnung usw. wichtig ist. Es wäre daher sicher verdienstlich, diesen Abschnitt des 1 Siehe S. 15f.