Inventare Teil 5. Band 6. Gesamtinventar des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs (1938)
Die Klosterarchive von Walther Latzke
556 Die Klosterarchive. die fortschreitende Verschmelzung mit dem neu erwachsenden Königskloster-Archiv zu einem einheitlichen Körper klar aufzeigen. a) Das Archiv des Benediktinerinnenklosters Erla. Trotzdem der urkundliche Bestand dieses Klosters mit seinen echten Urkunden bis in das 12. Jahrhundert zurückreicht, scheint er erst spät eine systematische archivarische Ordnung erhalten zu haben. Wir können sie freilich nur mehr vermuten, da die späteren Ordnungen des 17. Jahrhunderts, vor allem die Neuordnung von 1630, unbarmherzig jede ältere Signatur zerstört haben. Nur wo die Bimssteinrasuren nicht ganz so gründlich waren, lassen sich noch Spuren der mittelalterlichen Signaturen feststellen. Im ganzen läßt sich darüber nur soviel sagen, daß in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts die Urkunden durchnumeriert wurden, die Ziffern — römische Zahlzeichen in gotischer Minuskel — lassen sich an einzelnen Stücken trotz der Rasuren noch an ihrer gelbbraunen Tinte erkennen. Während der Zeiten des Verfalles im 16. Jahrhundert scheint das Archiv in völlige Unordnung geraten zu sein. Nach dem Aussterben des Klosters übergab der Kommissär des Klosterrates Dr. Christoph Hillinger am 11. Dez. 1572 auch das Archiv dem Administrator Abt Urban von Melk. Dieser ließ es wahrscheinlich nach Melk bringen und dort 1574 inventarisieren. Das Ergebnis dieser Arbeit ist das „Verzaihnus der brieflichen ur- khunden dem gotshauß Erlacloster gehörig, so durch Ordnung und auß bevelch des hochwürdigen, geistlichen und edlen herm, herrn Urban abbte auf Mölckh etc., ainer ersamen landschafft des erzherzogthumbs Ostereuch under der Enns verordennten, und gemeltes stifft Erlacloster administra- dorn, ordenlich registriert und beschriben, wie hierin zu ersehen. Actum den 25. tag Marti anno etc. 1574“.1 Das Verzeichnis beschreibt zunächst eine Reihe von Geschäftsbüchern und zählt dann 157 Stück Urkunden in kurzen Regesten auf. Anfänglich ist stets das genaue Datum vermerkt, später fehlt es. Die Reihung ist ziemlich regellos; sie beginnt wohl mit dem (unechten) Stiftbrief Ottos von Machland und nennt dann die wichtigsten Privilegien, aber im ganzen ist es eine recht willkürliche Aufzählung. Von gewisser Bedeutung ist es jedoch, daß die Urkunden in der Reihenfolge, in der sie in das Verzeichnis eingetragen waren, fortlaufend (1—157) numeriert wurden. In der 1574 hergestellten Ordnung scheint das Archiv im September 1581 wieder nach Erla gekommen und am 31. Okt. 1583 von den Pröpsten Georg von St. Florian und Oswald von Ardagger an den Obersthofmeister der Königin Elisabeth, Grafen Johann von Rosdrashof, übergeben worden zu sein. Jedenfalls wurde sie berücksichtigt, als das Archiv nach seiner Übertragung in das Königskloster eine erste gründliche Bearbeitung erfuhr. Noch 1583 entstand im Königskloster ein umfangreiches Kopialbuch unter dem Titel „Privilegia und freyheiten des closters Erla und Königlichen Closter in Wienn: hernach volgt eingeschriben alle und yedte freyheitten, gulden bulla, confirmation, donation und andere brieflich urkhundten, die 1 StA., Hs. Böhm Suppl. 238.