Inventare Teil 5. Band 6. Gesamtinventar des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs (1938)
Die Klosterarchive von Walther Latzke
552 Die Klosterarchive. noch vor ihrem Tode eine kirchlich fast unabhängige Stellung zu sichern, indem sie bei Papst Clemens VIII. die völlige Exemption des Klosters vom zuständigen Franziskanerprovinzial und seine unmittelbare Unterstellung unter den General (minister generalis) des Ordens erwirkte.1 Zugleich erhielt das Kloster das Recht, dem General einen Beichtvater zu präsentieren, dem als Kommissär die Leitung der geistlichen und weltlichen Angelegenheiten des Klosters zustehen sollte. („... minister generalis perpetuis futuris temporibus vobis confessarium cum titulo commissarii ex eodem ordine ad electionem vestram, qui tam in spiritualibus, quam temporalibus res vestras administrare ac de concionatoribus providere aliaque ad bonum eiusdem vestri monasterii regimen pertinentia facere posset et deberet, constitueret et confirmaret.“) (Bulle vom 4. Juni 1597.)1 2 Dem P. Commissarius oblag sonach die geistliche und weltliche Leitung des Klosters, der Verkehr mit der Außenwelt und die Oberaufsicht über die Wirtschaftsverwaltung. Von besonderer Bedeutung für die wirtschaftliche Stellung des neuen Klosters wurde die Einverleibung zweier aus dem Mittelalter stammender Frauenklöster Niederösterreichs, des Benediktinerinnenklosters Erla (1583) und des Zisterzienserinnenklosters zum Heiligen Geist vor Ybbs (1613). Beide Klöster waren im Zeitalter der Reformation in tiefsten Verfall geraten und endlich erloschen. Die Anfänge des Benediktinerinnenklosters Erla reichen weit ins hohe Mittelalter zurück. Schon um 1150 stiftete Otto von Machland im Dorfe Erla, nahe der Einmündung der Enns in die Donau, ein Frauenkloster der Benediktinerregel, das Erlakloster („monasterium Her- lahense“) zu Ehren der Heiligen Maria, Petrus und Johannes des Täufers.3 Ottos Schwester Gisila wurde die erste Äbtissin, er selbst übernahm die Klostervogtei. Die Landesfürsten bedachten das Kloster mit Privilegien; Friedrich I. erteilte ihm die Mautfreiheit (1196 Sept. 4),2 Friedrich II. und Ottokar bestätigten sie (1239 Nov. 262 und 1262 Mai 6),4 ersterer verlieh dem Kloster auch ein Gerichtsprivileg (1237 Jan.),2 König Rudolf I. bestätigte sämtliche Rechte und Freiheiten (1279 Juni 17).5 Durch zahlreiche Schenkungen und Käufe erwarb das Kloster allmählich einen ausgedehnten Güter- und Gültbesitz vor allem im Viertel ob dem Wienerwald und im obderennsischen Traunviertel. Das älteste erhaltene Urbar (1437) nennt an Ämtern des Klosters „das nyder ambt zu Winklarn (Winklern) under der Ybse pey Ulmerfeld“, das „ampt ob der Trawn, dacz Sand Maréin Chirichen (St. Marienkirchen) und czu Hersing (Hörsching)“, das „ambtt zwischen der Enns und der Trawn“, das „ambtt tzw Erlach czwy- schenn der Enns und der Ybs“, das „nyder ambt pey der Pyelach“ (zu und um Mautendorf), ferner Holden zu Lanzenberg, Lebarn, Geubling, Weinberg, Stein usw.6 1 Geschichte der Stadt Wien, V, 229. 2 Original, StA., Rep. ad IV (AB. 379/2). 8 Marie Héyret, Zur Geschichte des Erlaklosters in Niederösterreich. Berichte und Mitteilungen des Altertumsvereins zu Wien, XX, S. 103. — Original, AfNÖ.; Albert Starzer hält die Urkunde für unecht; Verzeichnis der Originalurkunden des k. k. Archivs für Niederösterreich (Mitteilungen des k. k. Archivs für Niederösterreich, I), S. 53f, Nr. 1. 4 Original, AfNÖ.; Starzer, Verzeichnis Nr. 6. 6 Original, AfNÖ.; Starzer, Verzeichnis Nr. 7. 6 StA., Hs. Böhm 181.