Inventare Teil 5. Band 6. Gesamtinventar des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs (1938)

Die Klosterarchive von Walther Latzke

Endlich gelangen dem Probhaus zu Anfang des 18. Jahrhunderts noch zwei Erwerbungen: 1717 kaufte es von Gräfin Maria Eleonora von der Wahl den Steinhof bei Inzersdorf am Wienerberg, 1727 von Jo­hann Baptist Schönwetter das Gütchen Hintersdorf.1 Durch das Hofdekret vom 10. Sept. 1773, mit dem die päpstliche Bulle über die Aufhebung des Jesuitenordens kundgemacht wurde, fielen auch die Güter des Probhauses in die Hand des Staates. Am 12. Sept. 1773 er­nannte die niederösterreichische Regierung den Mittelsrat Philipp Franz Edlen von Hacke zu Hart zum Aufhebungskommissär für das Probhaus; er führte kurz darauf die Aufhebung und Besitzergreifung durch. Die Güter wurden für den Studienfond bestimmt und der Kameraladministration des Grafen Falkenhain zur Verwaltung übergeben. Der Umstand, daß der Be­sitz des Probhauses so weit verstreut war, bot gar bald den Anlaß zum Verkaufe der einzelnen Güter an verschiedene private Eigentümer. Das Archiv des Probhauses setzte sich im Hinblick auf die Ver­schiedenartigkeit der einzelnen Probhausgüter fast mosaikartig zusammen. Wahrscheinlich wurde es schon frühzeitig geordnet; wir vermögen diese erste Ordnung, aus der Mitte des 17. Jahrhunderts, nur mehr an ein­zelnen Nummersignaturen zu erkennen. Es galt hier allem Anschein nach der gleiche Grundsatz wie beim Archiv des Collegium Academicum: Ord­nung nach alphabetisch gereihten Sachgruppen. Innerhalb einer jeden Gruppe waren die Stücke fortlaufend numeriert. Wir können diese Num- memsignaturen noch auf einzelnen Stücken, z. B. der Gruppe „Haus St. Anna“ erkennen. Diese Ordnung ist dann wahrscheinlich im 18. Jahrhun­dert erneuert und mit Rücksicht auf die späteren Erwerbungen (Würfel­hof, Steinhof, Hintersdorf) erweitert worden. Eine günstige Fügung hat uns ein vollständiges Archivrepertorium in einer Abschrift des Aktuars Augustin Donner aus der Zeit kurz nach der Aufhebung erhalten1 2 (— das einzige von den Wiener Jesuitenarchiven —); wir gewinnen daraus einen genauen Einblick in den Inhalt des Archivs zur Zeit der Aufhebung des Ordens. Das Archiv bestand damals aus 1560 Archivstücken in 17 Ab­teilungen, von denen die erste („Probhaus St. Anna, Privilegien“) ihrer besonderen Bedeutung wegen offenbar separat verwahrt war, die anderen in 34 Schubladen untergebracht waren. Nachstehend ein kurzer Überblick: 1. „Probhaus St. Anna, Privilegien“, 15 Stück (1647—1754). 2. „Haus St. Anna“, Schublade 1—4, 151 Stück (1600—1769). 3. „St. Anna Credita“, Schublade 5, 57 Stück (1711—1770). 4. „St. Anna Garten“, Schublade 5, 55 Stück (1626—1768). 5. „Hinterstorf“, Schublade 6—8, 165 Stück (1650—1765). 6. „Kollenbrunn“, Schublade 9, 46 Stück (1518—1767). 7. „Mauer“, Schublade 10—12, 182 Stück (1323—1772). 8. „Moßbrunn“, Schublade 13, 74 Stück (1621—1768). 9. „Mutmannsdorf“, Schublade 14, 11 Stück (1497—1765). 10. „Nußdorf“, Schublade 15—18, 234 Stück (1340—1772). Geschichte einzelner Klosterarchive: Wien: Jesuiten, Probhaus St. Anna. 543 1 Vgl. Archivrepertorium des Probhauses (a. a. O., Fasz. 1): Hintersdorf. 2 StA., a. a. 0., Probhaus St. Anna, Fasz. 1.

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