Inventare Teil 5. Band 6. Gesamtinventar des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs (1938)

Die Klosterarchive von Walther Latzke

480 Die Klosterarehive. Gerlach, Pfarrer von Traiskirchen, indem er neben dem Hauptkloster ein Siechenhaus für sechs Kartäuser mit einer Kirche S. Mariae ad piscinas stiftete. Der feierliche Stiftbrief König Friedrichs und seiner Brüder Leo­pold, Albrecht, Heinrich und Otto wurde am 18. April 1316 ausgestellt, die Gründungsurkunde über Gerlachs Siechenhaus am 25. Mai 1317.1 Am 1. Jan. 1318 erfolgte die Bestätigung durch das Passauer Domkapitel, am 10. Juni 1318 die päpstliche Ratifikation.2 Von großer Bedeutung für die Kartause wurde die Einverleibung der Pfarren St. Leonhard am Forst (1. Mai 1322), Scheibbs und Stillfried (22. Dez. 1327).3 Einen wichtigen wirt­schaftlichen Stützpunkt erhielt die Kartause am 2. Feb. 1335 durch einen Tausch, bei dem sie das aus dem Eigen Gerlachs stammende Haus in der Färbergasse zu Wien den Herzogen Albrecht II. und Otto gegen das Haus „zu den Röhren“ überließ.4 Dieses Haus, später zu Unrecht „Seitzerhof“ genannt, ist seitdem das Verwaltungszentrum der in und um Wien ge­legenen Mauerbacher Besitzungen gewesen und hat nachmals auch für das Archiv der Kartause eine besondere Bedeutung erlangt. Der durch die Stiftungen Herzog Friedrichs des Schönen und Gerlachs begründete, durch weitere Schenkungen der Landesfürsten, durch Ver­mächtnisse und Käufe vermehrte Besitz der Kartause war eine ausge­sprochene Streuherrschaft. Neben den Besitzungen in Mauerbach und des­sen unmittelbarer Umgebung (Steinbach, Hainbuch, Gablitz, Hadersdorf) finden wir Grundbesitz und Hauszinse in Wien, zahlreiche Weingärten in der Umgebung Wiens (Ober- und Unterkritzendorf, Grinzing, Sievering, Döbling, Hütteldorf, Penzing, St. Veit, Lainz, Atzgersdorf, Brunn, Enzers- dorf, Thalern, Gumpoldskirchen, Pfaffstätten und Baden). Im Tullnerfeld hatte die Kartause Besitzungen zu Fraunhofen an der Tulbing, Katzelsdorf und Saladorf, im Marchfeld zu Veim, Stillfried und Hohenruppersdorf.5 Auf die Blütezeit Mauerbachs im 14. und 15. Jahrhundert folgten im 16. schwere Zeiten tiefsten Verfalls, die mehr als einmal den Fortbestand der Kartause ernstlich in Frage stellten. Die seit dem dritten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts in Niederösterreich eindringenden reformatorischen Lehren ließen auch in Mauerbach die alte strenge Zucht verfallen, die Zahl der Mönche sich stetig mindern. Eine schwere Katastrophe brachte der Türkensturm von 1529; die zurückgebliebenen Mönche wurden nach helden­mütigem Widerstand getötet, Kirche und Kloster geplündert und nieder­gebrannt. Wenn sich auch die Kartause von diesem Schlag erholte, so wurde sie bald durch die immer härter werdende Türkensteuer in schwere Schulden gestürzt und dem finanziellen Ruin entgegengetrieben.6 Zu An­fang der Sechzigerjahre des 16. Jahrhunderts drohte der Kartause der völlige Untergang. Die von Ferdinand I. nach Wien berufenen Jesuiten trachteten mit größter Rührigkeit nach einer Vergrößerung der Dotation ihres Kollegiums. Der Rektor P. Victoria wußte damals den niederöster­reichischen Regimentskanzler Dr. Walther für den Plan einer Überlassung 1 StA., Urk. Rep. I (AB. 375). 2 Brenner, a. a. 0. — StA., Hs. Böhm 165, f. 39. 3 StA., Urk. Rep. ad IV (AB. 379/2) und Urk. Rep. I (AB. 375). * Af NÖ. 5 Wiedemann, S. 126 ff. — Boguth (Topographie VI), S. 288. 6 Ebendort, S. 287.

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