Inventare Teil 5. Band 6. Gesamtinventar des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs (1938)
Die Urkundenabteilung von Paul Kletler
13 Das Wiener Schatzgewölbe. Das Wiener Schatzgewölbe. Das neugegründete k. k. Hausarchiv in Wien, fast ausschließlich Urkundenarchiv, umfaßte im Jahre 1752 ungefähr 13.000 Urkunden;1 hievon entfielen rund 10.000 auf die „Österreichische Abteilung“. Sie bildete also die Hauptmasse, den Kern der Bestände. Das blieb so über ein halbes Jahrhundert lang. Denn noch im Jahre 1779 betrug die Gesamtzahl der Urkunden 13.817 und die Zahl der österreichischen Urkunden 10.231, und als gegen Ende des Jahres 1805 das „Geheime Staats-, Hof- und Hausarchiv“ vor den Franzosen von Wien nach Temesvár geflüchtet werden mußte, füllten die österreichischen Urkunden 68 Kisten von 89. 1806 bis 1812 kamen große Urkundenmengen anderer Provenienz ins StA. Aber selbst noch im Jahre 1812 heißt es, daß die Urkunden „des Schatzgewölbes und der Schatzregistratur“ „gegenwärtig einen wesentlichen Bestandteil dieses Zentralinstitutes (d. i. des Staatsarchivs) ausmachen“. Diese „Österreichische Abteilung“ war im wesentlichen, wie sie Rosenthal in seinen „Reflexiones“ über die Errichtung des StA. im Jahre 1749 richtig nennt, das „alte Regierungsarchiv“, das Archiv der Regenten der österreichischen Länder, also der Habsburger und der Babenberger sowie zahlreicher Adelsgeschlechter, deren Hoheitsrechte im Laufe der Zeit auf die habsburgischen Landesherren übergegangen waren. Dieses alte herzoglich-österreichische Archiv umfaßte ebenso die Staatsurkunden wie die babenbergischen und habsburgischen Familienurkunden. Das in Klosterneuburg hinterlegte Archiv der Babenberger ist noch als Familienarchiv anzusprechen. Auch die Habsburger hatten nur einzelne „für das Haus besonders wertvolle Urkunden“ dem Stifte Lilienfeld zur Bewahrung übergeben. Daneben aber war aus der Verwaltung des Landes in der Wiener Kanzlei und nach den Teilungen in den Kanzleien der einzelnen Linien ein österreichisches Staatsarchiv erwachsen. Dieses lag — vereinigt mit den babenbergischen und habsburgischen Hausurkunden — etwa seit Beginn des 14. Jahrhunderts (bezeugt jedenfalls für die Jahrhundertmitte) größtenteils in der Wiener Burg — Teile lagen auch in Innsbruck, Graz, Wiener-Neustadt, Baden im Aargau —, und zwar zuerst Jahren die Arbeit nach langer Pause wieder aufgenommen: 1933—1936 erschienen, bearbeitet von E. Trinks, drei Lieferungen des 10. Bandes mit den Urkunden der Jahre 1381—1390. — Der eben erschienene von F. Hüter bearbeitete 1. Bd. des Tiroler Urkundenbuchs enthält, da er nur bis 1200 reicht, eine einzige Urkunde (n. 419) aus dem Schatzgewölbe. Daß für die großen Urkundenpublikationen vor allem der Abteilungen Diplomata und Constitutiones der Monumenta Germaniae historica, der Regesta imperii oder der „Urkunden zur Schweizer Geschichte aus Österreichischen Archiven“ (4 Bände bis 1499, 1935, herausgegeben von R. Thommen) oder für das „Corpus der altdeutschen Originalurkunden bis zum Jahre 1300“, herausgegeben von F. Wilhelm, die Urkundenschätze des StA. gewissenhaft herangezogen wurden und werden, sei hier nur nebenbei bemerkt. Besonders hingewiesen muß aber auf das Unternehmen der vom Österreichischen Institut für Geschichtsforschung herausgegebenen Regesta Habsburgica werden, in deren 2. und 3. von H. Steinacker, bzw. L. Groß bearbeiteten Abteilung die Regesten der Herzoge von Österreich bisher für die Zeiträume von 1281—1288 und von 1314—1330 veröffentlicht wurden (1924 und 1934) und die für diese Jahre das alte Schatzgewölbearchiv wohl vollständig ausschöpfen. 1 G. Winter, Die Gründung des kais. u. kgl. Haus-, Hof- und Staatsarchivs 1902, S. 39.