Inventare Teil 5. Band 6. Gesamtinventar des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs (1938)

Die Urkundenabteilung von Paul Kletler

110 Die Urkundenabteilung. Domes im Prager Schloß. Ursprünglich war das böhmische Kronarchiv auf dem Wischehrad gelegen, unter Karl IV. war es in die eigens zur Verwah­rung der Krondokumente und auch der Kroninsignien (der deutschen Reichskleinodien!) erbaute Burg Karlstein, und zwar in die Kreuzkapelle, und von hier endlich gelegentlich des passauischen Einfalles im Jahre 1611 nach Prag gebracht worden. In der Wenzelskapelle lag wohl vor allem und im wesentlichen der älteste Teil des Kronarchivs, den das „Verzeichnis der in Karlstein im Jahre 1437 verwahrten Urkunden“ enthält, von dem Rosen­thal zwei Abschriften — die ältere vom Jahre 1574 — vorfand. Es sind besonders die Urkunden Kaiser Friedrichs II. und Karls IV. betreffend die böhmische Königswürde sowie die Urkunden Karls IV. betreffend die In­korporation der schlesischen Herzogtümer; soweit die oft gruppenweise nur das Jahrhundert angebende Anführung der Urkunden erkennen läßt, deckt sich dieses Verzeichnis mit den Eintragungen in dem von Weinkopf geschriebenen Repertorium der böhmischen Urkunden (AB. 387 e), von dem später die Rede sein wird. Diese Urkundengruppe wurde also damals zur Gänze nach Wien gebracht.1 Ein Teil des Kronarchivs befand sich aber auch bei der königlichen Landtafel. Rosenthal fand dort rund 400 Urkunden des Zeitraumes 1265 bis 1613. Diese Urkunden kamen jedoch erst im Jahre 1774 auf Rosenthals Veranlassung nach Wien, nachdem vom Obersten Burggrafen Fürsten von Fürstenberg und dem Obersten Landschreiber Freiherrn von Astfeld eine neuerliche Nachsuche bei der königlichen Landtafel verfügt worden war;2 sie sind alle im böhmischen Repertorium von Weinkopf verzeichnet. In Privatbesitz fand Rosenthal die sogenannten „Lippaer Schriften“. Es war dies ein Bruchteil des Archivs der Herren von Lippa, besonders als Obri- ster Marschälle von Böhmen, die Zeit von 1319—1605 umspannend: Kauf­und Tauschbriefe, Pfandurkunden, Schenkungen, Privilegien betreffend das Marschallamt, Zollvergünstigungen usw. von den Königen Johann, Karl IV., Ladislaus Posthumus, Georg von Podiebrad, Wladislaw und Ludwig auf die Herren von Lippa; dazu gesellen sich noch reine Privaturkunden, wie Verträge mit anderen böhmischen Adelsgeschlechtern, Testamente, Heirats­urkunden und Lehensbriefe der Herren von Lippa. In dieses Lippaer Archiv waren aber auch, was uns hier interessiert, zahlreiche Kronurkunden ge­raten, so gleich die älteste Urkunde vom 4. Dez. 1268, Herzog Ulrich von Kärnten setzt König Ottokar II. von Böhmen zum Erben aller seiner Länder ein, oder Urkunden aus dem Archiv der Markgrafen von Mähren und des Ladislaus Posthumus. 44 Urkunden (darunter das eben erwähnte Testa­ment Ulrichs von Kärnten) wurden sofort nach Wien gesandt; weitere 159 etwas später vom obersten Burggrafen nachgeschickt: alle 203 Stück finden wir wieder im Weinkopfschen Repertorium (AB. 387 e).3 Ferner wurden aus der alten königlichen Statthalterei an Rosenthal am 7. April 1750 Urkunden aus der Zeit von 1285—1512 (besonders Ur­kunden schlesischer Herzoge für die Luxemburger sowie einige päpstliche 1 Reg. des StA. Z. 49/1750. s Reg. des StA. Z. 13/1777. 3 Reg. des StA. Z. 30/1750, 37/1750 und 49/1750 (dabei ein Verzeichnis der „Lippaer Urkunden“).

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