Inventare Teil 5. Band 6. Gesamtinventar des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs (1938)

Die Urkundenabteilung von Paul Kletler

Die ungarische Urkundenabteilung — Die Türkischen Urkunden. 107 Der größere Teil unserer Abteilung entstammt jedoch den habsburgi­schen Archiven, den Registraturen der Reichs-, Hof- und schließlich der Staatskanzlei sowie des Hofkriegsrates. Wir sehen eine lange Reihe von Schreiben der Sultane und Großveziere, der Paschas von Ofen, Bosnien u. a. sowie im 18. Jahrhundert der Paschas von Tripolis und von Tunis oder etwa des Sultans von Marokko an den Kaiser, bzw. König von Ungarn, endlich auch vereinzelte nichttürkische orientalische Stücke, Schrei­ben des Schahs von Persien und des Tatarenchans. Dieser Bestand reicht zeitlich bedeutend weiter als die erwähnten Urkunden türkischer Provenienz, nämlich durch das ganze 17. Jahrhundert (besonders dessen erste Hälfte), ja noch über die Zeit der türkischen Herrschaft in Ungarn hinaus tief ins 18. Jahrhundert hinein bis etwa 1770. Es sind Schreiben an Karl V. (1532), Ferdinand I. (1527, 1534 Siegesbericht Suleimans des Großen über die Er­oberung Persiens, 1541, 1550, 1553, 1556, 1557, 1562), an Maximilian II. (1567, 1569, 1574, 1575, 1576), an Rudolf II. (1577, 1582, 1585, 1586, 1587, 1589, 1590, 1592, 1602 usw.), dann zahlreiche Schreiben an Matthias als König von Ungarn und als Kaiser und ebenso zahlreiche Schreiben an Fer­dinand II., dann an Ferdinand III. (1642, 1650, 1651) und nach einer größe­ren Lücke an Karl VI. (1720, 1725, 1727, 1728, 1729, 1732), an Maria The­resia (1740, 1742, 1743, 1748, 1750, 1761, 1765) und Franz I. (1749, 1750, 1754, 1756, 1757), endlich auch an den Reichsvizekanzler Colloredo (1757) und an den Staatskanzler Kaunitz (1768, 1769). Damit aber kommen wir zu dem Hauptbestand der türkischen Urkun­denabteilung, zu den seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts aus den verschiedenen Regierungsstellen, hauptsächlich vom Hofkriegsrat,1 ins StA. gelangten Staatsverträgen mit der Pforte (auch mit dem Sultan von Ma­rokko, dem Bey von Tunis und dem Schah von Persien). Diese Gruppe reicht am weitesten herauf, nämlich bis zum Jahre I860.2 Endlich ist unter den Wiener Provenienzen dieser Abteilung noch eine Reihe türkischer Schreiben — der Großveziere, Statthalter (Paschas, Beys) von Ofen, Bosnien, Belgrad, Tripolis, Ägypten — an den Hofkriegsrats­präsidenten anzuführen: 1615, 1616, 1617, 1618 an Johann von Molart; 1656, 1657 an Grafen von Buchheim; 1716, 1717, 1727, 1728, 1729, 1730, 1731, 1732, 1733 an den Prinzen Eugen; 1736, 1737 an Grafen von Königs­egg; 1740, 1742, 1743, 1746, 1747, 1750 an Grafen von Harrach. Die Abteilung der türkischen Urkunden ist im wesentlichen erst durch die Gründung des StA. und dessen Ausgestaltung zu einem Zentralinstitut im letzten Viertel des 18. Jahrhunderts und besonders in den ersten Jahr­zehnten des 19. Jahrhunderts zustande gekommen. Noch im Jahre 1779 be­trug die Zahl der türkischen Urkunden nur 49, im Jahre 1839 hingegen 1321 (damals bereits in einem eigenen Repertorium XXIII = AB. 405 ein­getragen) ! Man träumte dann lange von einer in Aussicht stehenden großen Vermehrung dieses Bestandes. In dem „Verzeichnis der Handschriften der k. k. Orientalischen Akademie“ von Krafft ist die Rede von nicht weniger 1 Vgl. Bd. I S. 580. 2 Diese Verträge sind bei L. Bittner, Chronolog. Verzeichnis derösterr. Staatsverträge, 4 Bände, Wien 1903—1917, verzeichnet.

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