Inventare Teil 5. Band 6. Gesamtinventar des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs (1938)

Die Urkundenabteilung von Paul Kletler

104 Die Urkundenabteilung. — wurde dem kleineren, ungefähr 430 Stück zählenden Teil der ungari­schen Urkunden entnommen, der nicht im „Putsch“ (AB. 332, 333) steht. Außer den im Jahre 1787 ausgelieferten 90 Urkunden enthielt dieser Be­stand noch etwa 200 Urkunden ungarischer Provenienz, die am 10. Juni 1927 ebenfalls an Ungarn ausgeliefert wurden. Diese 200 ausgelieferten Urkunden sind zwar alle, wie gesagt, ungari­scher Provenienz, trotzdem aber sehr verschiedener Herkunft; sie entstam­men Archiven bürgerlicher und adeliger Familien (besonders dem der Bani von Alsólindva), geistlichen Archiven (von Klöstern — Dominikaner — und Bistümern, vor allem Gran — 12 Urkunden aus der Registratur des Erzbischofs Johann Beckensloer —, dann Waitzen, Fünf­kirchen und Erlau), Stadtarchiven (5. Okt. 1489 König Matthias ver­leiht der Stadt Raab Steuerfreiheit, 2. Okt. 1541 Abgabenfreiheit für Ofen). Dann die Reichsgesetze, die ständischen Freiheitsbriefe und die Landes­ordnungen: sie sind ständischer oder königlicher Provenienz. Dies bleibt um so mehr im unklaren, als diese Urkunden, in der Regel in mehreren Exemplaren ausgefertigt, an verschiedenen Orten hinterlegt waren. Es sind folgende Urkunden: die Bestätigungen der Goldenen Bulle von 1222 durch Ludwig den Großen 11. Dez. 1351 und Königin Maria 22. Juni 1384, die Bestätigungen der Ständeprivilegien durch König Matthias 10. Febr. 1459 und Kaiser Leopold 27. Sept. 1666, die von König und Ständen bestätigten Landesverfassungen, Reichs-, Polizei- und Gerichtsordnungen von 1435, 1486 und 1492, endlich die Erklärungen der auf dem Reichstag zu Rakocz versammelten Stände vom 13. Okt. 1505, nie mehr einen Ausländer, sondern immer nur einen Ungarn zum König zu wählen. Vier dieser Urkunden (nämlich 1351, 1435, 1492 und 1505) gehören allerdings nicht hierher, denn sie stammen aus der Abteilung des Wiener Schatzgewölbes „Hungern“. Was uns hier aber mehr interessiert, ist die Möglichkeit, bzw. Wahrschein­lichkeit, daß die Urkunden von 1351, 1435 und 1505 gar nicht ungarischer Provenienz sind: die Urkunde von 1351 dürfte nach einem Rückvermerk das im Besitz der Grafen von Cilli gewesene Exemplar dieses ungarischen Reichsgesetzes sein, das dann wohl durch Barbara von Cilli, die Gemahlin Sigismunds, an beider Tochter Elisabeth, die Gemahlin Albrechts V. (II.) und so in habsburgischen Besitz gelangt wäre; das Exemplar des Reichs­gesetzes von 1435 könnte von der ungarischen Kanzlei sogleich Albrecht V. von Österreich als Schwiegersohn Sigismunds zugesandt worden sein; der Rakoczer Reichstagsbeschluß endlich ist wohl höchst wahrscheinlich Maxi­milian I. als der in erster Linie interessierten Partei übermittelt worden; zum mindesten gilt dies von einem der beiden im Ungarischen Reperto­rium (AB. 399) eingetragenen Originale dieses Dokuments; trotzdem wur­den beide Exemplare an Ungarn ausgeliefert. Es wären dann also nur fünf dieser Urkunden ungarisch-ständischer oder -königlicher Provenienz; immerhin aber könnten die Urkunden von 1351 und 1435 auch erst nach Sigismunds Tod aus dessen Registratur in die Albrechts II. gekommen sein. Mit voller Sicherheit aus dem ungarischen Krön archív endlich stam­men nur etwas über 20 Urkunden, zum Großteil aus dem Archiv Sigismunds: 10. Okt. 1307 Angelobung der Stände an Karl Robert, 8. Juni 1389 Ab-

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