Inventare Teil 5. Band 6. Gesamtinventar des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs (1938)

Die Urkundenabteilung von Paul Kletler

102 Die Urkundenabteilung. ungarischen Urkunden in offenbar größeren Laden untergebracht, deren sie nur 24 füllten. Sie umspannten zur Zeit der Revision durch Meiller im Jahre 1858 den Zeitraum von 1202 bis 1848 — dazu kamen später nur noch zwei vereinzelte jüngere Stücke —; ihre Zahl betrug rund 1000. Die Zäh­lung des Jahres 1840 gibt zwar die Zahl 1237 an, das von Rosner geschrie­bene Repertorium XVI (AB. 399) aber enthält nur etwa 1150 Urkunden. Bei etwa 100 Stücken steht überdies der Vermerk „Oest. Archiv“ (bei 62 Urkunden) oder „Boehm. Archiv“ (bei 30 Urkunden); es sind dies in der Tat Urkunden aus dem österreichischen Schatzgewölbe und aus dem böhmischen Kronarchiv, die Ungarn betreffen. Da nun in den älteren Repertorien von Roschmann (AB. 397) und Weinkopf (AB. 428) die österreichischen Urkunden überhaupt nicht eingetragen sind und von den böhmischen nur auf einige verwiesen ist, so könnten sie höchstens später — und nur vorübergehend — in der ungarischen Abteilung gelegen sein; wahrscheinlich aber hat Rosner diese Urkunden wie auch Urkunden aus anderen Beständen (z. B. 14 Urkunden aus dem Archiv von Spalato) ihres ungarischen Betreffs wegen lediglich im Repertorium XVI (AB. 399) verzeichnet, ohne daß sie jemals mit den ungarischen Urkunden vereinigt gewesen sind. So bleiben also nur ungefähr 1000 Urkunden übrig. Ja, der ursprüngliche Bestand zählte nur etwa 800 Urkunden, da im Reperto­rium XVI gegenüber dem alten Weinkopfschen Repertorium etwa 200 Ur­kunden nachgetragen sind.1 Aber auch diese Zahl war nicht lange be­hauptet worden; denn noch im 18. Jahrhundert (1787) waren, wie wir gleich hören werden, gegen 170 Urkunden an die ungarische Hofkanzlei abgegeben worden, die jedoch gleichwohl im Repertorium XVI (AB. 399) als Abschriften, die anläßlich der Auslieferung angefertigt worden waren, mit dem Auslieferungsvermerk („extrád.“) noch eingetragen sind. Nach 1787 betrug also die Zahl der ungarischen Urkunden in der Tat nur etwa 630, bzw. mit den später noch dazugegebenen etwa 830. Zwar erfuhr die ungarische Urkundenabteilung gerade damals einen Zuwachs, der sie plötzlich auf mehr als den doppelten Umfang anschwellen ließ. Im Jahre 1785 brachte der ansbach-bayreuthische Archivar Ph. E. Spieß (bekannt durch seine Schrift „Von Archiven“ 1777) über 1100 Ori­ginalurkunden ungarischen Betreffs von 1022—1559 (darunter etwa 350 ungarische Königsurkunden und 12 Papstbullen), die er im markgräflich b randenburgischen Archiv auf der Plassenburg nach langer Vergessenheit wieder entdeckt hatte, als Geschenk des Markgrafen Alexander nach Wien, wo sie dem StA. überwiesen wurden. Es handelt sich um jene Archivalien, die Anfang des 16. Jahrhunderts Markgraf Georg von Brandenburg-Ansbach als Zubehör des durch seine Vermählung mit der Witwe des Johannes Cor­vinus, eines natürlichen Sohnes des Königs Matthias, wie auch durch die Freigebigkeit der Jagellonenkönige erworbenen Landbesitzes in Ungarn erhalten hatte und deren Kern wohl als das Privatarchiv der Corvinén anzusprechen ist. Aber dieser Zuwachs gehört kaum zur Geschichte unserer Abteilung; denn noch vor Mai 1787 wurden die Plassenburger Urkunden an 1 Schmidt gibt 1785 die Zahl gar nur mit „Siebenhundert und einige Vierzig“ an.

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