Inventare Teil 5. Band 6. Gesamtinventar des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs (1938)

Die Urkundenabteilung von Paul Kletler

6 Die Urkundenabteilung. nach Putsch, wie schon aus den im ersten Bande S. 226 und 227 verzeich- neten Archivbehelfen 334—338 zu ersehen ist, trotz der durch die Länder­teilung erfolgten Abgaben beibehalten. Dann siegt seit der Gründung des StA. allmählich die Idee der Zentralisierung. Sie war schon bei der Einrichtung des Schatzgewölbes durch Putsch, indem dieser auch Urkunden aus Innsbruck, Wiener-Neustadt, Graz und Niederwalsee hatte nach Wien bringen lassen, wirksam gewesen, wurde aber an ihrer Entfaltung, wie wir ja hörten, lange Zeit durch den Auswahlgrundsatz behindert (Bd. I S. 18*): Schon vor Rosenthal — besonders im 17. Jahrhundert — waren wiederholt „ausgewählte Urkunden“, Teile von Registraturen und Archiven nach Wien gebracht worden; Rosenthal bringt nun aus Innsbruck und Graz wieder nur die durch seine Instruktionen bezeichneten Urkunden, aus Graz insbesondere z. B. nur einen kleinen Teil der Görzer, Cillier und Orten- burger Urkunden.1 Aber indem die Zentralisierung nach Rosenthal in immer größerem Maßstab, immer umfassender fortgeführt wurde im Dienste der seit Hormayr immer weiter und tiefer gefaßten Idee der Ausgestaltung des StA. zu einem Zentralinstitut, zu einer Aufbewahrungsstätte des ge­samten Urkundenbesitzes,1 2 mußte dies schließlich mehr zu einer Vereini­gung als zu einer Zerreißung der alten Registraturen führen. Wenn man im Wiener StA. alles sammelte, so mußten sich hier viele Teile und Split­ter der einzelnen auseinandergerissenen Archivkörper schließlich wieder zusammenfinden. Und in der Tat war erst nach den großen Einlieferungen der Innsbrucker und Grazer Urkunden (1837 und 1851)3 um die Mitte des 19. Jahrhunderts eben als Ergebnis der Zentralisierungsmaßnahmen das alte herzoglich österreichische Urkundenarchiv wieder in ähnlicher Voll­ständigkeit beisammen, wie um die Mitte des 16. Jahrhunderts nach seiner ersten Einrichtung durch Putsch. Ja zum Teil noch vollständiger: so hat Rosenthal nicht nur einzelne Görzer Urkunden aus Graz nach dem Aus­wahlgrundsatz ins StA. gebracht und so aus dem Grazer Archiv gerissen, sondern andererseits auch eine Reihe von Görzer Urkunden, die Putsch seinerzeit beim Transport des Görzer Archivs nach Wien in Innsbruck zu­rückgelassen hatte, aus Innsbruck nach Wien gebracht, so daß sie nun mit den aus Graz gebrachten Urkunden, von denen sie über 200 Jahre getrennt gewesen waren, wieder vereinigt wurden! Eine weitere Reihe solcher Görzer Urkunden kam noch 1806 hinzu. Und als dann mit dem Grazer Schatzgewölbearchiv der Hauptbestand der Görzer Urkunden nach Wien kam — zunächst 1784 ins Hofkammerarchiv, 1851 ins StA. (Bd. I S. 245 AB. 406) —, war das Archiv der Grafen von Görz, abgesehen von den im wesentlichen wohl die zu Tirol gekommene „Vordere Grafschaft“ Görz be­treffenden in Innsbruck befindlichen Urkunden, wieder in der gleichen Vollständigkeit beisammen wie beim Erlöschen des Hauses im Jahre 1500. Auch das Archiv der Grafen von Ortenburg liegt seit der Mitte des 1 Siehe Bd. I S. 13* ff. und 18* Anm. 9 und 10 sowie meine späteren Ausführungen über die Innsbrucker, Görzer, Cillier und Ortenburger Urkunden. * Siehe Bd. I S. 23*ff. 3 Siehe Bd. I S. 239 AB. 381 und S. 245 AB. 406 und meine späteren Ausführungen über die genannten Bestände.

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