Inventare Teil 5. Band 5. Gesamtinventar des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs (1937)
Das lothringische Hausarchiv nach Vorarbeiten von Otto Brunner von Jakob Seidl
66 Das Lothringische Hausarchiv. wahrscheinlich im Frühjahr 1737 nach Brüssel gebracht, wo Franz Stephan als Generalgouverneur residieren sollte. Doch war ihnen hier kein langer Aufenthalt beschieden. Durch den am 9. Juli 1737 erfolgten Tod des letzten Medici, Johann Gaston, war Franz Stephan Großherzog von Toskana geworden und übersiedelte nach Florenz. Mit der Auflösung des Haushaltes in Brüssel wurde der bereits erwähnte Geheimsekretär de Molitoris betraut.1 Während der kleinere Teil der Güter nach Wien gebracht wurde,1 2 wurde der Hauptteil derselben mit den meisten Archivalien nach Ostende geschafft, dort auf Schiffe verladen, die am 11. Nov. 1737 den Hafen verließen 3 und die Fahrt nach Livorno antraten. Dortselbst angelangt und auf Kähne umgeladen, traf das Archiv um Weihnachten 1737 in Florenz ein. Wo es in Florenz untergebracht wurde, ist unbekannt. Der Ordnungszustand, in dem die Archivalien in Florenz ankamen, dürfte nach dem Yorgesagten wohl sehr schlecht gewesen sein. Mit der Neuordnung des Archivs wurde der Kabinettssekretär des Großherzogs Thiery betraut. Er begann damit im Jahre 1739 und gelangte gegen Ende des Jahres 1741 im wesentlichen zum Abschluß, da am 23. Okt. 1741 mit der Reinschrift des von ihm verfaßten Archivinventars begonnen wurde.4 Die Reinschrift dieses Inventars, der heutige AB. 308/1 und 2 des StA., ist auch derzeit noch für die Benützung des Lothringischen Hausarchivs unentbehrlich. Die Grundsätze, nach denen Thiery seine Ordnungsarbeiten, bei denen er wohl die Reste einer alten Anordnung benützte, durchführte, legte er in der Einleitung zu dem Inventar in ausführlicher Weise dar. Er sagt hier: „L’on s’est proposé pour l’arrangement de cet archive, pour plus grande facilité et pour éviter á jamais la confusion, de séparer du cahos oű il se trouvoit toutes les differentes matiéres, de les unir ensemble, de les ranger par ordre et de les placer aux endroits oü elles doivent naturellement se trouver, de les diviser suivant les diverses cours ou pays de l’Europe dans lesquels elles ont été traitées, ou auxquels elles ont du rapport, de les subdiviser autant de fois qu’elles peuvent l’étre et enfin de les placer avec ordre dans des portefeuils en forme de livres, sous des No. et des etiquettes, qui les indiquent et les font trouver sans peine et sans le moindre dérangement.“ Nach diesen Grundsätzen hat Thiery die Vorgefundenen Archivalien eingeteilt und hiebei vier Gruppen (Armoires) gebildet, von denen A die auf Italien und Deutschland, B die auf die Niederlande, Schweiz, England, die nordischen Staaten, Spanien, Portugal und Frankreich, C die auf die 1 Vgl. Lothr. Hausarchiv 3. Abt., 810. Hier sind zahlreiche Briefe und Rechnungen Molitoris vorhanden, in denen er seine Tätigkeit schildert. 2 In den Rechnungen Molitoris werden unter den nach Wien gesandten Gütern auch Kisten mit Büchern und Schriften erwähnt. Vielleicht sind diese zum Teil mit den heutigen Abteilungen 2 und 3 des Lothringischen Hausarchivs identisch, worauf wir noch später zurückkommen werden. Auch wissen wir aus einer Notiz Thierys (Lothr. Hausarchiv 3. Abt., 294), daß bereits im Oktober 1736 aus einem besonderen Anlaß Archivalien nach Wien gebracht worden sind. 3 Schreiben Molitoris vom 26. Nov. 1737 a. a. 0. 4 Das Konzept zu den Armoires A und B dieses Inventars und verschiedene von Thiery für seine Ordnung angelegte Behelfe sind noch erhalten (Lothr. Hausarchiv ohne Signatur, Karton 226).