Inventare Teil 5. Band 5. Gesamtinventar des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs (1937)
Das lothringische Hausarchiv nach Vorarbeiten von Otto Brunner von Jakob Seidl
Die wechselvollen Geschicke der Kanzlei der lothringischen Herzoge und somit die ihres Archivs bis zum Jahre 1736, in welchem Jahre das eigentliche „Lothringische Hausarchiv“ abgetrennt und von dem sein Stammland verlassenden Franz Stephan von Lothringen, dem späteren Kaiser Franz L, nach Florenz und dann nach Wien gebracht wurde, schildert in kurzem Abriß Maurice Dieterlen in seiner Arbeit „Le fonds Lorrain aux Archives impériales et royales de Vienne“.1 Es genügt daher, unsere Darstellung erst mit dem Jahre 1736 zu beginnen. Artikel 16 des am 28. Aug. 1736 zwischen Kaiser Karl VI. und König Ludwig XV. von Frankreich abgeschlossenen Vertrages1 2 über die Abtretung Lothringens an Stanislaus Leszczynski bestimmte, daß die die Herzogtümer Lothringen und Bar betreffenden Papiere und Urkunden Stanislaus Leszczynski übergeben, die Familienstücke, wie Heiratsverträge, Testamente und andere, dem letzten Herzog von Lothringen überlassen, von für beide Teile in Betracht kommenden Stücken aber Abschriften angefertigt werden sollen. Bevor noch dieses Abkommen unterzeichnet und in Kraft getreten war, hat Franz Stephan bereits mit der Sicherstellung der ihm zufallenden Archivalien begonnen,3 wobei man sich allerdings nicht strenge an das geschlossene Übereinkommen gehalten und auch Archivalien, die nicht das Herzogshaus betrafen, ausgeschieden hat. Bereits am 20. Juli 1736 entnahm der Geheimsekretär des Herzogs de Molitoris dem „Trésor des chartes“ zu Nancy 204 Pakete, am 6. September wurde die Registratur des „Bureau général des finances“ zu Luneville durchforscht und am 18. Oktober weitere Bestände dem bereits erwähnten „Trésor“ entnommen. Zwischen dem 12. Februar und dem 22. März 1737 wurden nochmals durch lothringische Kommissäre Ausscheidungen in den Registraturen verschiedener Behörden vorgenommen. Es scheint aber, daß bei diesen Ausscheidungsarbeiten nicht alle das Herzogshaus betreffenden Archivalien erfaßt worden sind. Denn nach E. H. Huhn: Geschichte Lothringens II, S. 380 sollen unter der Regierung Stanislaus Leszczynskis anläßlich der Liquidierung der Staatsschuld durch Anton Lancelot die Archive durchforscht und die wichtigsten Teile derselben, „zumal auch die, welche die Geschichte und Genealogie der herzoglichen Familie betrafen“, nach Paris gebracht worden sein. Die für das Haus Lothringen bestimmten Bestände wurden in Luneville vereinigt und 1 Nancy 1913, S. 14—31. Vgl. Marichal Paul, Dufourny et Lancelot. Notes sur les anciens inventaires du trésor des chartes de Lorraine, Nancy 1894 und Catalogue de la collection de Lorraine, Nancy 1896, ferner Deblaye, Sur les documents lorrains transportées de Lorraine ä Florence et ä Vienne au 18. siécle, in: Journ. soc. archéol. Corr. XXX (1880/81), p. 148. 8 Gedruckt bei D. Calmet, Histoire de Lorraine, 2. Ed., T. VII, 480 und A. W. Wenck, Codex juris gentium I, S. 51 ff. 3 Wir folgen hier im wesentlichen der oben erwähnten Arbeit von M. Dieterlen. Vgl. Lothr. Hausarchiv 3. Abt., 805; hier liegen einige bei diesem Anlaß verfaßte Inventare, die heute nicht mehr verwendbar sind. Inventare des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs, Bd. 5. 5