Inventare Teil 5. Band 5. Gesamtinventar des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs (1937)
Kabinettsarchiv von Fritz von Reinöhl
Nachlaß Kempen — Nachlaß Kolbielsky. 199 Diese lange Zeit der Gefangenschaft benützte er zu zahlreichen, namentlich mathematischen, finanzwissenschaftlichen und sozialpolitischen Studien. Als er 1831 starb, wurde sein schriftlicher Nachlaß beschlagnahmt. Unter ihm befanden sich nicht nur die Handschriften der aus Kolbielskys Studien erwachsenen Arbeiten, sondern auch sein ganzer Briefwechsel und zahlreiche auf seine Vermögensverhältnisse und geschäftlichen Angelegenheiten bezüglichen Papiere. Der Nachlaß wurde im Auftrag des Kaisers zunächst von Erzherzog Ferdinand, damals kommandierendem General in Ungarn, übernommen und von dessen Obersthofmeister FML. Vinzenz Graf Desfours geordnet, der ein sehr genaues, auch den Inhalt der einzelnen Stücke bestimmendes Verzeichnis anlegte, welches dem Kaiser übermittelt wurde.1 Der Nachlaß selbst scheint sodann im Aufträge des Kaisers vom Staatsrat und Kabinettsreferenten Johann B. Freiherm von Pilgram zu geheimer Verwahrung übernommen worden zu sein. Als nämlich im Jahre 1848 nach der Auflösung des Staatsrates die von ihm in der Wiener Hofburg benützten Räume freigemacht wurden, wurde im Bureau Pilgrams der Nachlaß Kolbielskys in einem Koffer und in einer Kiste versperrt aufgefunden und von dem damaligen staatsrätlichen Registratursdirektor Johann Ernst Kutschera übernommen. Mit dem Archive des Staatsrates kam der Nachlaß in das Kabinettsarchiv, wo er erst 1870 geöffnet und aufgestellt wurde.2 Dem StA. wurde er bei der großen Auslieferung, welche die Kabinettskanzlei im Jahre 1908 vornahm, übergeben. Hier wurde er in dem Zustand, in dem er sich damals befand, belassen; er entsprach nicht der von Desfours durchgeführten Ordnung. Die einzelnen Stücke und Pakete befanden sich wohl noch, mit den Nummern Desfours’ versehen, beisammen, ihre Reihenfolge aber war scheinbar infolge von Sichtungsarbeiten, die im Bureau Pilgrams vorgenommen worden sein dürften, in Unordnung geraten; zudem hatte der Nachlaß inzwischen auch, wie sich an Hand des Desfoursschen Verzeichnisses erkennen läßt, einen Zuwachs erhalten, der in die von Desfours getroffenen Einzelgruppen eingeteilt, jedoch nicht in sein Verzeichnis eingetragen worden war. Woher dieser Zuwachs stammt, ist nicht klar; die Tatsache jedoch, daß die Nummern, die dessen einzelne Teile tragen, von derselben Hand stammen wie jene des ursprünglichen Bestandes, legt die Vermutung nahe, daß nach der Ordnung und Überstellung des Nachlasses nach Wien eben noch weitere Schriften beschlagnahmt oder von Kolbielskys Tochter abgeliefert worden sind. 1928 wurde vonReinöhl die im Desfoursschen Verzeichnis niedergelegte Ordnung wiederhergestellt; eine ins Einzelne gehende Ordnung wurde hiebei ebensowenig durchgeführt wie die Einarbeitung des Nachtrages in das eben genannte Verzeichnis; ein im StA. hier eingeteiltes Aktenbündel mit Denkschriften, Briefen und Eingaben Kolbielskys aus den Jabren 1807—1810 wurde provenienzgemäß wieder in das Archiv der Staatskanzlei (Notenwechsel, ad Hofkammer Fasz. 8, vgl. I. Band, S. 426) übertragen. Das Desfourssche Verzeichnis wurde als AB. 313 b aufgestellt; dem Stückverzeichnis hat Desfours auch eine nach Gegenständen geordnete Übersicht beigegeben, die immerhin einigen Dienst leisten kann. 1 K. A. 80/1831, 280/1832. 2 OAKA. B. II., Kolbielsky.