Inventare Teil 5. Band 4. Gesamtinventar des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs (1936)

Biographien der Archivbeamten seit 1749 von Franz Hüter

150 Biographien. Tomaschek Johann Adolf (16. Mai 1822 bis 9. Jänner 1898), ein Iglauer Stadtkind, entstammt einer sehr gelehrten Familie. Sein Vater gleichen Namens wirkte als Altphilologe am Iglauer Gymnasium, zusammen mit Anton Lorenz, dem Vater von Ottokar Lorenz, mit dem dann der junge T. am StA. zusammen diente. Von den Brüdern unseres T. wurden zwei Universitätsprofessoren (Karl, der eigentlich Philosoph und Ästhetiker war, als Germanist in Graz und Wilhelm als Geograph in Graz und Wien). Ein dritter (Ignaz) war Universitätsbibliothekar in Graz. Der vierte (An­ton), ein Botaniker, wandte sich der Mittelschulprofessur zu. Unser T. besuchte — wie seine Brüder — das Gymnasium in Iglau und studierte dann Jus in Olmütz, wo er 1844 zum Dr. iur. promoviert wurde. Zunächst auf kurze Zeit der gerichtlichen Zivil- und Kriminalpraxis zugewendet, legte er 1847 die Richterprüfung aus dem Kriminalfache ab. Aber inzwi­schen hatten ihn die wissenschaftlichen Neigungen längst zum Lehramt hinübergezogen. Als Adjunkt, später Professor für klassische Philologie und Mathematik wirkte er 1844 bis 1857 in Brünn, Tarnow und Iglau. Im Jahre 1848 vertrat T. auf der Seite des linken Zentrums die Vaterstadt in der deutschen Nationalversammlung. In den letzten Jahren des Iglauer Aufenthaltes betätigte sich T. als Archivar des dortigen Stadtarchivs und bereitete die Herausgabe des Stadt- und Bergrechtes von Iglau vor. Zu­gleich strebte T. wissenschaftliche Stellungen an. Konnten ihm die Kon­kursprüfungen für Lehrkanzeln für Natur- und Kriminalrecht in Lemberg, Padua und Agram keine Professur verschaffen, so glückte es ihm doch, im Januar 1858 als 6. Konzeptsoffizial am Wiener StA. unterzukommen, wo er mit 13. Juli 1865 zum 4. Archivkonzipisten vorrückte und dann bis zu seinem Ausscheiden aus dem Amte unter den Archivkonzipisten 1. Klasse erscheint. T. wurde zunächst in der Handschriftenabteilung und bei den Urkunden (vgl. seine Mitarbeit an den Regestenzettelkatalogen AB. 499, 503, 508, 516) verwendet, dann von Meiller bei der Ausscheidung des Fa- milienurkundenselekts herangezogen und vor allem mit Arbeiten in den Reichsarchiven betraut. Hier hatte er, zus. mit Hess, Regesten über die Eintragungen in die Reichsregisterbücher Kaiser Karls V. (AB. 487) und allein ein alphabetisches Register über die Standeserhöhungen (AB. 322) anzulegen, hatte Ordnungsarbeiten an den Kriegsakten durchzuführen und mit ausgiebiger Hilfe Klemms die zwei Mainzer Archive (das erzkanz- lerische und kurfürstliche) zu scheiden und neu aufzustellen (vollendet 1868, vgl. AB. 145 und 247/1, 2). In seiner verhältnismäßig doch ziemlich lange (18 Jahre) dauernden Wirksamkeit im StA. hat T. — selbst wenn man seinen Anteil am Be- nützerdienst mit einrechnet — für das Archiv nichts Besonderes geleistet. Das rührt davon her, daß er für den Archivarberuf unmittelbares Inter­esse nicht hatte. Erb sagt von ihm (1860): „Wenn ... T. erst so viel Liebe zu dem von ihm selbst gewählten Beruf gewinnen wird, als er Geschick dazu mitbrachte, verspricht er ein sehr tüchtiger Archivmann zu werden.“ Schon im zweiten Jahre seiner Dienstzeit (1859) versuchte T. zwei Wochen­tage ganz für die wissenschaftliche Tätigkeit freizubekommen. Der Ar­chivarberuf war ihm nur Sprungbrett für seine Stellung an der Universität,

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