Inventare Teil 5. Band 4. Gesamtinventar des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs (1936)

Einleitung

Die Entwicklung des archivalischen Besitzstandes. Die folgenden Ausführungen beschäftigen sich nur mit den leitenden Gesichtspunkten, nach welchen der Aufbau der Bestände des Archivs er­folgte, nicht aber mit einer Beschreibung und geschichtlichen Darstellung der Umstände, unter denen die einzelnen Archivbestände der Anstalt zuge­wachsen oder verlorengegangen sind. Das ist in den einzelnen Kapiteln des Gesamtinventars nachzulesen. Dieser Überblick hat wie alle archivkundlichen Darstellungen mit der Zweideutigkeit des Sprachgebrauches für die wichtigsten Grundbegriffe zu kämpfen.1 Das Wort „Archiv“ wird im Deutschen sowohl im engeren Sinn als Bezeichnung für einen Archivkörper (die Gesamtheit aller Schrift­bestände, die aus dem schriftlichen Verkehr einer physischen oder juristi­schen Person organisch erwachsen sind, soweit sie bestimmungsgemäß bei dieser verbleiben sollen) als auch im weiteren Sinn für die Aufbewahrungs­räume oder die Anstalten, in denen solche Archivkörper aufbewahrt und verwaltet werden, gebraucht.1 2 Die Archivkörper werden ihrerseits oft auch wieder als Registraturen bezeichnet. Man unterscheidet zwischen „toten“, durch Zeitverlauf dem täglichen Gebrauch der Verwaltung ferngerückten und „lebenden“ Registraturen. Aber auch das Wort Registratur wird seiner­seits im weiteren Sinn als Bezeichnung für die Aufbewahrungsräume oder die Hilfsämter gebraucht, die eine, oder wie dies meist der Fall ist, mehrere Registraturen verwalten. Dieser Wirrwarr hat sich so eingelebt, daß es oft, ohne der Sprache Gewalt anzutun, nicht möglich ist, immer die richtige Bezeichnung anzuwenden. Jedenfalls sei hier festgestellt, daß das StA. eine Archivanstalt ist, welche Archivkörper oder Teile von solchen verwahrt. Noch eine weitere Grundfrage muß hier vorweg in den gröbsten Umris­sen erörtert werden: die Frage der Behandlung der organisch erwachsenen Archivkörper bei der Übernahme, Ordnung und Repertorisierung durch Arehivanstalten. Die naheliegende Frage, ob diese Organismen als solche zu erhalten sind oder ob sie nach rein stofflichen, künstlich hineingetragenen Gesichtspunkten in ihre Bestandteile zerlegt und etwa noch mit Bestand­1 Eine Übersicht über die sehr dankenswerten Bestrebungen, hier zu einer Klar­heit zu kommen, gibt H. 0. Meisner, Archivarische Berufssprache, Archival. Zeitschr. 42./43. Bd., S. 260—280. Bei der Schilderung der geschichtlichen Entwicklung der einzelnen Abteilungen und Archivkörper waren wir jedoch, um nicht unverständlich zu werden, oft gezwungen, uns der bodenständigen und zeitgenössischen Bezeich­nungen zu bedienen, die übrigens fast durchwegs mit den in Süddeutschland üblichen übereinstimmen. Wir werden trachten, die Verschiedenheiten des Sprachgebrauches im 4. Band (Orts-, Personen- und Sachregister) durch Verweise zu erklären. 2 L. Bittner, Die zwischenstaatlichen Verhandlungen über das Schicksal der österreichischen Archive nach dem Zusammenbruch Österreich-Ungarns, in: Archiv für Politik und Geschichte III (VIII), 1925, S. 58, Anm. 2. Erster Abschnitt.

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