Inventare Teil 5. Band 4. Gesamtinventar des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs (1936)

Biographien der Archivbeamten seit 1749 von Franz Hüter

158 Biographien. ten Fächer ein genügend tiefes Wissen zu besitzen glaubte, begann er sich für das Mittelschullehramt in Geschichte und Deutsch vorzubereiten, ergriff aber kurz vor den Prüfungen die sich bietende Gelegenheit, am StA. in die durch Meillers Tod (Juni 1871) freigewordene Stelle einzutreten (Oktober 1871).1 Seiner raschen Auffassungsgabe und seinem grandiosen Arbeits­eifer gelang es, sich in dem neuen Kreis bald zu Recht zu finden, sich zur rechten Hand Arneths aufzuschwingen und damit das Sprungbrett für eine glänzende Laufbahn zu gewinnen.1 2 Bereits zu Weihnachten 1872 Archiv­konzipist 2. Klasse, wurde er kaum 4% Jahre später (Mai 1877) Archiv­konzipist 1. Kl., erhielt am 25. April 1883 Titel und Charakter und am 27. März 1888 die Stelle eines wirklichen Staatsarchivars. Arneth ließ die Vizedirektorstelle, die nach Fiedlers Pensionierung (1888) frei geworden war, durch 4 Jahre unbesetzt, um sie unter Umgehung Weydas, Böhms und Felgels W. Vorbehalten zu können, der sie am 21. April 1892 erhielt. Am 5. Sept. 1897 trat W. an A.s Stelle an die Spitze des Archivs. Es folgte am 4. Nov. 1902 für die glückliche Vollendung und Neueinrichtung des Neugebäudes des StA. das Kleinkreuz des Stefansordens, 1907 die Ver­leihung von Titel und Charakter eines Sektionschefs. Mit 21. Mai 1909 ist W. unter Verleihung des Großkreuzes des Franz Josef-Ordens in den Ruhe­stand getreten.3 W. ist 76jährig am 30. Mai 1922 in Wien gestorben. Mag auch der Neubau des StA., den W. in einem Prachtwerk selbst beschrieben hat, als sein größtes und eigenstes Verdienst gelten, mögen die mehrfachen, mit größter Umsicht durchgeführten Übersiedlungen der StA.- Filialen unter W.s Leitung mit Recht Gegenstand kaiserlicher Auszeich­nung gewesen sein (1886, 1896), so muß doch gesagt werden, daß kein geringerer Teil der Verdienste W.s darin liegt, daß — seitdem das StA. ein ausgesprochenes Aktenarchiv geworden war — bisher wohl keiner für die innere Erschließung dieser Aktenmassen so viel geleistet hat wie er und daß vor allem von ihm die Tradition der Hilfsbereitschaft gegenüber den Forschern ausgeht, die seither die Hauptstärke unserer Anstalt geworden ist. Zunächst widmete sich W. der Neuaufstellung der Archivbibliothek (1873 bis 1875). Dann aber tritt seine unermüdliche Arbeitskraft in immer zunehmendem Maße in den zahlreichen Aktenbestandsübersichten der Ar­chive der Reichs- und der Staatskanzlei in Erscheinung, die auch heute noch zum Teile in Benützung stehen (AB. 26/1, 3, 4; 27/2, 3; 29/2 und 3 [Nachtrag]; 29/4; 30/2, 3, 10; 31/1, 3, 6; 32/2 a, 7, 10, 13, 15, 20, 21; 33/1, 2, 3, 8, 9 [Nachtrag], 15; 34/1, 2; 35/1 bis 3 und 5 [Nachtrag], 6, 7, 8, 9 [mit Thomayr], 10, 11, 12, 14; 38/9, 10; 39/2, 4, 5, 6 [teilweise], 7, 8; 40/1 [Nach­1 W.s Bildungsgang schildert Voltelini mehrfach in den unten erwähnten Nachrufen. * Schon 1877 zählt ihn Arneth „zu unseren allertüchtigsten Beamten“ und hält von ihm, daß er „für die Zukunft zu den glänzendsten Erwartungen berechtigt“. 3 Das Rücktrittsgesuch W.s vom 11. April 1909 (Admin. Registr. F 4, Revirement 159) gibt als Ursache des Rücktritts ein Augenleiden an. In Wirklichkeit erfolgte der Rücktritt, um jüngeren Kräften Platz zu machen, vielleicht auch weil er sich in der Frage der Über­nahme des Hofkammerarchivs den Wünschen des Thronfolgers Erzh. Franz Ferdinand wider­setzte (s. oben, Einleitung, I. Abschnitt, § 1). Außer den Personalakten der admin. Registr. des Min. d. Äuß. wurde für die ganze Skizze eine amtliche Ausarbeitung von Antonius benutzt.

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