Inventare Teil 5. Band 4. Gesamtinventar des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs (1936)
Einleitung
Erster Abschnitt. § 1. 35* behörde, und zwar des k. u. k. Ministeriums des kais. und königl. Hauses und des Äußern.“1 Diese Verzichtserklärung, die auch dem damaligen Bestand des StA. — dieses besaß damals außer dem Archiv des Min. d. Äuß. und den Urkunden- und Reichsarchivbeständen u. a. noch einen Teil der Hofarchive, das Staatsratsarchiv, das Archiv des österr. Reichstages 1848 — nicht entsprach, wurde von folgenschwerer Bedeutung bei der Bemessung des Flächenraumes für das damals in Bau befindliche neue Gebäude, da die Erwerbung größerer Archive nicht vorgesehen wurde. Als 1906 die Bewegung gegen die Aufteilung des Hofkammerarchivs wieder auflebte und Stimmen laut wurden, die sich für die Vereinigung dieses Archivs mit dem StA. aussprachen, mußte Winter erklären, daß der 1902 bezogene Neubau das über 26.000 Faszikel umfassende Hofkammerarchiv nicht mehr aufnehmen könne.1 2 Trotzdem ging die durch die staatsrechtlichen Verhältnisse gegebene Entwicklung, die die Ausgestaltung des StA. als des größten, unter „gemeinsamer“ Verwaltung stehenden Archivs zu einer Sammelstätte anderer Archive dieser Art vorzeichnete, auch unter Winter ihren Weg weiter. Umfangreiche Bestände der 1886 noch in der Kabinettsregistratur verbliebenen Archive wurden dank dem unablässigen Bemühen Hanns Schiitters3 dem StA. einverleibt. Dagegen dankt das StA. Winter und seinem Referenten in dieser Sache, Voltelini, die juristische Begründung seines Besitzes an Archiven der ehemals auf österr. Boden bestandenen staatlichen Gewalten. Anläßlich der Forderung der Innsbrucker Statthalterei nach Abgabe des Archivs der Fürstbischöfe von Trient stellte Winter am 13. Jänner 1899 fest, daß als Rechtsnachfolger dieser Landesfürsten der Gesamtstaat anzusehen sei und ein rechtlicher Anspruch der Länder auf Erlangung dieser Archive nicht bestehe. Von diesen Gesichtspunkten ausgehend verweigerte er auch die Abgabe der innerösterreichischen Registerbücher an das steiermärkische Statthaltereiarchiv und gestand nur die Überlassung von Doppelstücken dieser Bücher zu. Er lehnte auch 1908 die Abtretung von Beständen an das Landesregierungsarchiv in Salzburg ab. Winter hat selbst noch in seinen letzten Direktorsjahren die Umstellung des ganzen Dienstbetriebes nach den Richtlinien des Herkunftgrundsatzes (oben S. 9*) anbahnen geholfen, welche es ermöglichte, auch für die weitere Entwicklung des archivalischen Besitzstandes des StA. sichere Grundlagen zu gewinnen.4 Nun wurde mit dem Auswahlsystem endgültig gebrochen, dagegen aber eine Synthese der Richtlinien der Gründungsdekrete von 1749—1752 (oben S. 17*) mit dem Herkunftgrundsatz in der 1 Tatsächlich erhielt das Archiv unter Winter großen Zuwachs aus den Registraturen des Min. d. Äuß. Siehe unten S. 407. 2 Vgl. unten S. 158 Anm. 3. 3 Anspornend zum Nutzen des Archivs wirkte wie so oft auch hier die wissenschaftliche Tätigkeit. Schiitter hatte 1907 den Auftrag erhalten, eine Darstellung der politischen Tätigkeit des Fürsten Felix Schwarzenberg zu verfassen, für welche ihm die Bestände des Kabinettsarchivs zur Verfügung gestellt wurden. Vgl. unten 5. Abschnitt § 6 und S. 128 und Historische Blätter IV 110 Anm. 1. 4 Vgl. L. Bittner, Árpád von Károlyi als Archivar, a. a. O. 23—26 und unten 5. Abschnitt § 3 b.