Inventare Teil 5. Band 4. Gesamtinventar des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs (1936)

Einleitung

36* Einleitung. Weise vorgenommen, daß die in den Gründungsdekreten für die Auswahl von Einzelstücken gegebenen Richtlinien als für die Gewinnung und Behauptung ganzer Archivkörper bestimmend erklärt wurden. Auf Grund eines Antrages des StA. erklärte das Min. d. Äuß. in einer Note an das Min. d. Inn.1 vom 15. Jänner 1914, „daß das k. u. k. Haus-, Hof- und Staatsarchiv nach den Intentionen seiner erhabenen Gründerin, der Kaiserin Maria Theresia, nach der durch Allerhöchste Entschließungen und aus­drückliche Zustimmung der in Betracht kommenden Behörden gestützten mehr als hundertjährigen Tradition und aus staatsrechtlichen Gründen als das Depot aller jener Archive anzusehen ist, welche gemeinsamer Besitz der Gesamtmonarchie sind, soweit sie nicht provenienzmäßig in das k. u. k. Kriegsarchiv und in das k. u. k. gemeinsame Finanzarchiv1 2 gehören“. Ein vom Min. d. Äuß. genehmigter Bericht der Archivdirektion vom 5. Jänner 1914 sucht eine Formel für die nähere Umschreibung dieser Archive der Gesamtmonarchie, welche dem StA. nach den Gründungsdekreten von 1749 bis 1752 (oben S. 17*) zugehören, zu finden. Er rechnet hiezu: 1. Die Archive des kaiserlichen Hauses einschließlich des Schatzgewölbearchivs und der Archive der vor oder neben der Hauptlinie bestehenden staatlichen Gewal­ten, vor allem derjenigen, deren Herrschaftsgebiete sich über mehrere Kron- länder erstreckten, und einschließlich der aus der Ausübung der Herr­schaftsrechte des kaiserlichen Hauses in anderen Ländern hervorgegan­genen Archive, 2. die Archive von Zentralstellen für die Gesamtmonarchie3 (Staatskanzlei, Min. d. Äuß. und Kabinettskanzlei), der Hofbehörden und der zentralen Ratskollegien (Geheimer Rat, Staatsrat, Reichsrat, ge­meinsamer Ministerrat). Diese Feststellungen der Note des Min. d. Äuß. und des Berichts der Archivdirektion sind, wie ich heute selbst zugeben muß, ungenau und unvollkommen. Sie teilen damit das Schicksal aller Ver­suche, eine widerspruchsvolle Entwicklung auf eine feste Formel zu brin­gen und rein archivwissenschaftlichen Grundsätzen eine eigentumsrecht­liche Grundlage zu verleihen.4 Sie sind ungenau, denn sie erklären zwar 1 Dieses hatte in einer Note vom 6. Nov. 1913 den irrigen Standpunkt vertreten, daß das StA. ausschließlich als Depot des Familienarchivs des Kaiser­hauses und des Archivs des Min. d. Äuß. anzusehen sei. Dieser Notenwechsel war durch (mit Austauschverhandlungen mit Bayern verquickte und vom Min. d. Inn. unterstützte) 1911 gestellte Anforderungen der Innsbrucker Statthalterei hervor­gerufen worden, denen sich im Jahre 1913 auch Anforderungen der steiermärkischen Statthalterei hinzugesellten. Diese Forderungen hatten zu einer von Mitis und mir durchgeführten Durchforschung der gesamten Registratur des StA. seit 1749 nach den rechtlichen und archivalischen Grundlagen des Aufbaues der Bestände des Archivs geführt, dem ersten Versuch, die in diesem Inventar verwirklichten Ge­danken anzuwenden (vgl. unten 5. Abschnitt § 3 b und c). Die oben formulierte Synthese der Rosenthalschen Formel mit dem Herkunftgrundsatz war ein Ergebnis dieser Untersuchung. 2 So hieß damals das Hofkammerarchiv. 3 In diesem Sinne legte schon Hormayr den Titel „Haus-, Hof- und Staats­archiv“ aus. Vgl. oben S. 22*. 4 Der archivalische Herkunftgrundsatz ist ein archivwissenschaftlicher Denk­behelf, begründet aber an sich noch keinen eigentumsrechtlichen Anspruch. Dies ge­schieht erst dann, wenn dies durch rechtsbegründende Akte (Staatsverträge, Ge­setze u. dgl.) festgesetzt wird.

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