Inventare Teil 5. Band 4. Gesamtinventar des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs (1936)

Biographien der Archivbeamten seit 1749 von Franz Hüter

132 Biographien. man sich am josefinischen Wiener Hofe für diesen Mann interessierte und ihm, als er im Frühjahre 1779 bei Maria Theresia um Erlaubnis zur Samm­lung von Material für die Fortsetzung seiner „Geschichte der Teutschen“ (unter Karl Y. und Ferdinand II.) in den Archiven und Bibliotheken Wiens einkam, nicht nur die Zusicherung wohlwollender Förderung, sondern im Winter dieses Jahres sogar die Einladung zu einem Wiener Besuche als Gast des kaiserlichen Hofes zukommen ließ.1 Yon seiner Wiener Reise, die Sch. im Sommer 1780 antrat, sollte er nicht mehr nach Würzburg zurück­kehren. Schon im Jahre vorher, bald nach Rosenthals Tod, hatte Kaunitz in seinem Vortrage an die Kaiserin vom 9. Sept. 1779 „auf die Auswahl und die dereinstige Anstellung des gelehrtesten, in der Geschichte, Diplo­matie, im iure publico etc. erfahrensten Mannes, der nur irgendwo in Deutschland zu finden seyn wird“ als Direktor des geh. Hausarchivs angetragen. Kaunitz dürfte schon damals an Sch. gedacht haben.1 2 Nunmehr wurde diesem die Stelle angeboten3 und Sch. war sehr wohl geneigt, das an literarischen Hilfsmitteln arme Würzburg mit der kaiserlichen Residenz zu vertauschen, zumal die erdrückende Menge des ihm hier vorgelegten Materials an sich einen längeren Aufenthalt gebieterisch verlangte. Der Auseinandersetzung mit seinem bisherigen Herrn, dem Würzburger Fürst­bischof Franz Ludwig, wich er aus, indem er ihn vor die vollendete Tat­sache stellte.4 So trat denn Sch. mit Oktober 1780 an die Spitze des geh. Hausarchivs, dem er dann bis zu seinem Tode (1. Nov. 1794) Vorstand. Bei Sch.s Vergangenheit werden wir uns nicht wundern, daß er die eigentlichen archivarischen Arbeiten seinem Mitarbeiter Roschmann über­ließ, um sich ganz der wissenschaftlichen Arbeit widmen zu können. Ge­rade aus seiner rein wissenschaftlichen Einstellung heraus begreift es sich, daß er sehr zum Ärger von Hops (Anhänger Rosenthals) die von Rosch­mann vorgeschlagene chronologische Reihung und Verzeichnung der drei Urkundenarchive, aus denen das Hausarchiv in der Hauptsache bestand, der bisherigen stofflichen vorzog. Andererseits sah er im Hausarchiv kein wissenschaftliches, sondern ein nur dem kaiserlichen Hause und der Diplo­matie gewidmetes Institut und wollte die wissenschaftlichen Agenden der Hofbibliothek überweisen. Das geht klar aus seinem, von tiefer Ver­ständnislosigkeit für archivalische Dinge zeugenden Vorschläge hervor, die Archive der aufgehobenen Klöster und auch ausgestorbener Adels­familien nicht dem Hausarchiv, sondern dieser Bibliothek zu überweisen, damit sie dort der allgemeinen Forschung zugänglich gemacht und die bisher an den Hochschulen nur theoretisch betriebene Diplomatik praktisch ausgebaut werde. Er versäumte es auch, den Rest des noch in Graz er­liegenden Schatzgewölbearchivs zu gewinnen, so daß dieser zunächst in 1 Kerler, Die Berufung des Geschichtsschreibers M. I. Schmidt an das kais. Haus­und Staatsarchiv in Wien (Archiv d. hist. Yer. f. Unterfranken 40, S. 73). * StK., Vorträge, Fasz. 1779. 3 Bei seiner Berufung soll auch Graf Franz Anton Hartig, der ihn als Hofrat beim Justizkollegium in Würzburg kennengelernt hatte, mitgewirkt haben. Beiträge zur Gesch. der niederösterr. Statthalterei, Wien 1897, S. 471. 1 Ygl. Kerler, a. a. 0. S. 76 ff.

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