Inventare Teil 5. Band 4. Gesamtinventar des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs (1936)

Einleitung

Erster Abschnitt. § 1. 33* chisch-ungarisches Staatsarchiv geschaffen werden.“ Diese Gedanken fan­den auch in der österreichischen Delegation Befürwortung.1 Diese Beschlüsse waren von großer Tragweite für die Ausgestaltung des StA. Das zu dieser Zeit fast gänzlich von der Außenwelt abgeschlossene Kabinettsarchiv enthielt neben dem Handarchiv Kaiser Franz’ H. (I.) die Registraturen der Kabinettskanzlei, des Staatsrates, der Staatskonferenz, des Ministerrates und des Reichsrates und eine große Anzahl von Akten­nachlässen höherer Beamter.1 2 Da es die aus dem Schriftenverkehr der Monarchen und der zentralen Ratsstellen erwachsenen Bestände enthielt, so wäre es auch nach der sinngemäß angewandten Rosenthalschen Formel (oben S. 17*) als Ganzes für das StA. in Betracht gekommen. Geringfügige Teile dieses Archivs waren schon früher in das StA. gelangt. Arneth hatte 1865 das Handarchiv Kaiser Franz’ H. (I.) aufgeteilt und einen Teil in das StA. übernommen. In der Registratur des StA. wenigstens finden sich keine Spuren, daß er sich weiter um dieses Archiv gekümmert hätte. Das Hofkammerarchiv3 enthielt vor allem die in wunderbarer Ge­schlossenheit bis in das Ende des 15. Jahrhunderts zurückreichende Re­gistratur der obersten Finanz- und Wirtschaftsbehörde für die Monarchie und hatte zahlreiche Beziehungen zu den im StA. verwahrten Beständen. Auch hier hätte die sonst so gerne von Arneth herangezogene Rosenthalsche Formel Anhaltspunkte für eine Vereinigung mit dem StA. geboten. Das Kriegsarchiv war wohl von vornherein auszuschalten. Es wäre durchaus nahegelegen gewesen, die Vorschläge der ungari­schen Delegation wenigstens teilweise aufzugreifen. Wenn man aber die Haltung, die Arneth dem neuen Plan gegenüber einnahm, verstehen will, so darf man nicht vergessen, daß die ungarische Delegation damals nicht die Vereinigung des Kabinettsarchivs, des Hofkammerarchivs und des Kriegsarchivs mit dem StA., und zwar mit diesem als Spitze forderte, son­dern die Gründung eines neuen „österreichisch-ungarischen Staatsarchivs“, zu dessen Bildung das StA. ebenso wie die anderen gemeinsamen Archive durch Abgabe von Beständen beitragen sollte. Ob es Arneth damals mög­lich gewesen wäre, unter Ausschaltung der Bestrebungen anderer Persön­lichkeiten, die sich offenbar an die Spitze des neuen „österreichisch-ungari­schen Staatsarchivs“ gestellt sehen wollten,4 die ganze Aktion unter die 1 Durch den Abgeordneten Prof. Dr. Adolf Beer („Wiener Allgemeine Zeitung“ vom 5. Nov. 1884, Nr. 1684, S. 6). 2 Vgl. unten S. 222, 258 und die Ausführungen F. von Reinöhls im 2. Band. 3 Gerson Wolf, Gesch. der k. k. Archive in Wien, Wien 1871, 103—129; L. Groß, Literaturberichte a. a. 0. 277; Minerva-Handbücher, 2. Abteilung, Die Archive, Bd. I, hrg. von P. Wentzcke und G. Lüdtke, Berlin und Leipzig 1932, S. 468; J. Seidl in Archivi a. a. 0. 10; F. Walter, Die sogenannten Gedenkbücher des Wiener Hofkammerarchives in: Archival. Zeitschr. 42./43. Bd., S. 137—158. Auch das Hofkammerarchiv kam mit dem Ausgleich von 1867 unter „gemeinsame“ Ver­waltung. Es wurde dem k. u. k. gemeinsamen Finanzministerium unterstellt. Mit den schon in den Siebzigerjahren des 19. Jahrhunderts einsetzenden ungarischen Bestrebungen, die Ungarn betreffenden Akten des Hofkammerarchives auszuscheiden und nach Budapest zu bringen, die wiederholt lebhafte Erörterungen in der Öffent­lichkeit hervorriefen, haben wir uns hier nicht zu beschäftigen. 1 Die ungarische Delegation forderte am 17. Nov. 1884 auch, „daß mit der Inventare des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs, Bd. 4. C

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