Inventare Teil 5. Band 4. Gesamtinventar des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs (1936)

Biographien der Archivbeamten seit 1749 von Franz Hüter

Rosenthal. 119 hohes Lob, indem er ihn „einen Mann“ nannte, „der nicht zu ersetzen sei, was gründliche Einsicht in Dingen der Diplomatik und die vollständige Kenntnis der Geschichte und des Staatsrechts seines Vaterlandes betreffe“. So ist es begreiflich, daß R„ wenn er auch nur erster Hausarchivar war, während die Oberleitung des Archivs 1753 dem Direktorialvizekanzler Johann Christoph Freiherrn von Bartenstein und 1762 dem Staatskanzler Grafen Kaunitz übertragen wurde, doch bei der Zusammenbringung der Archivalien, die nach den von ihm verfaßten und von Maria Theresia am 13. Sept. 1749 genehmigten „Ohnmaßgebigsten Reflexiones“ erfolgte, und bei den Ordnungsarbeiten die ausschlaggebende Rolle spielte. Bei der intensiveren inneren Arbeit freilich mußte R. seinen Einfluß mit Freysleben teilen, dem z. B. auf Grund seiner auch von Barten­stein gebilligten Vorschläge, die Anlegung der Repertorien, allerdings unter R.s Oberleitung übertragen wurde und der gemeinsam mit R. Akten­stücke Unterzeichnete.1 R.s Bild hat jedoch auch starke Schattenseiten. Das Zwiespältige tritt uns so recht vor Augen, wenn wir mit den eben angeführten rühmenden Urteilen die Worte vergleichen, die Kaunitz nach R.s Tod in dem Vortrag vom 9. Sept. 1779 über die Zustände des Archivs fand: „Sie hätten seiner billigen Erwartung keineswegs entsprochen; es sei zwar ein guter Grund gelegt, das Meiste und Wichtigste aber noch zu tun...“ Man kann nämlich, was R.s Tätigkeit für die Einrichtung und Ordnung des StA. bedeutet, was er als „Archivar“ geleistet hat, zweifach beurteilen, es ziemlich hoch, aber auch recht gering einschätzen, je nachdem, ob man die Gesamtrichtung seiner Pläne oder die tatsächliche Arbeitsleistung beachtet. R.s Hauptverdienst vom Standpunkt der heutigen Archivwissenschaft liegt in einer gewissen Erkenntnis und Befolgung des Provenienzprinzips. Schon die von R. 1750 vorgeschlagene Einteilung der Urkunden in sechs Gruppen (Urkunden betreffend das Erzhaus, die gesamte österr. Mon­archie, die Krone Ungarn, die Krone Böhmen, die Länder Nieder-, Ober-, Vorder- und Innerösterreich und die spanischen Länder) sowie die im wesentlichen erwachsene Gliederung in die österreichische, die böhmische und die ungarische Abteilung schont de facto zum Teil den ursprünglichen organischen Zusammenhang der Archivalien. In der Tat hat auch R. das im Wiener Schatzgewölbe erhaltene Archiv der Herzoge von Österreich als selbständigen organisch erwachsenen Archivkörper beisammengelassen, ja noch durch Rückbringung provenienzmäßig hieher gehöriger Urkunden aus Innsbruck (1751) und Graz (1752) ergänzt. Auch das böhm. Kron- archiv wurde teils von R. selbst (1750), teils später auf seine Veranlassung im wesentlichen vollständig ins Wiener StA. gebracht und hier unvermischt erhalten. — Innerhalb der österr. Abteilung hat R. für die durch Putsch getroffene Ordnung, für deren Erhaltung auch Bartenstein gewesen zu sein scheint, lebhaftes Interesse gehabt, wie von ihm angefertigte Ab­schriften des Putschischen Anlageplans (im AB. 374 b/1) bezeugen. Dies 1 Siehe Biographie Freysleben.

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