Inventare Teil 5. Band 4. Gesamtinventar des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs (1936)
Biographien der Archivbeamten seit 1749 von Franz Hüter
114 Biographien. Historikers Anton Roschmann (1694 bis 1760), k. k. Bibliothekars und Hofarchivars zu Innsbruck, der 1750 als Gehilfe Rosenthals für das geh. Hausarchiv in Aussicht genommen worden war, aber „wegen seines hohen Alters und armen Famillezustandes, theils wegen vorhabend ver- schidenen Ausarbeitungen“ (gelehrter Arbeiten) die Stelle abgelehnt hatte. Der noch vom Vater in den Beruf eingeführte Kassian erhielt nach dessen Tode die Nachfolge in beiden Stellen zugesichert (1760) und genoß in vierjähriger Praxis unter Rosenthals Leitung am Wiener geh. Hausarchiv seine weitere Ausbildung. Im Jahre 1764 kehrte er als oberösterreichischer Gubernialarchivar nach Innsbruck zurück; die Bibliothekarstelle, die sein Vater neben der Archivarstelle bekleidet hatte, war inzwischen anderweitig besetzt worden. Neben Ordnungsarbeiten und einer Reihe von Gutachten in vorländischen Fragen beschäftigte ihn dort auch die schon von seinem * Vater begonnene Auslieferungsaktion der vorländischen Urkunden und Akten nach Freiburg im Breisgau. Anläßlich der vom Fürsten Kaunitz nach Rosenthals Tod (1779) durchgeführten Neuordnung des Archivpersonals wurde R. als dritter Archivar nach Wien berufen. Hops sagt ihm große Flüchtigkeit nach und klagt, daß nach R.s eigenen Angaben die noch von Rosenthal angeregten Ordnungsarbeiten am Innsbrucker Archive infolge von R.s vorwiegend wissenschaftlichen Interessen und der von ihm freiwillig übernommenen häufigen Stellvertretung der Sekretäre der dortigen Stellen nicht vom Flecke gekommen seien. Eine gewisse Bestätigung erfährt Hops durch die Tatsache, daß R. im Jahre 1775 ein Studienurlaub nach Wien nicht bewilligt wurde, da die Ordnungsarbeiten zu Innsbruck noch nicht beendigt waren. R. scheint sich schon während seines ersten Wiener Aufenthaltes hier sehr wohl gefühlt und einen größeren Bekanntenkreis gewonnen zu haben, die Versetzung nach Wien war ihm daher zweifellos willkommen.1 Gleichwohl hat R. in Wien ersprießliche Arbeit geleistet. Zusammen mit den ihm zugeteilten Offizialen Helwig und Hypschle führte er die von ihm gegenüber dem älteren Materiensystem mit Erfolg vertretene chronologische Ordnung, Kuvertierung, Repertorisierung und Indizierung der ungar. Urkundenabteilung durch (AB. 397 a ist ganz von ihm geschrieben, 397 b von ihm und Helwig). Nach dem Abgänge Freyslebens (Oktober 1780) übernahm er auch die böhm. Abteilung, bewerkstelligte bis Mai 1781 hier die Ordnungsarbeiten unter Mithilfe von Helwig und besonders von Strahl in derselben Weise — auch das erste chronologische Repertorium zur böhm. Abteilung (AB. 387 b) ist von seiner Hand — und in den folgenden Jahren (bis 1784) wurde durch R., Helwig, Strahl und Weinkopf auch das österr. Archiv geordnet und repertorisert (AB. 374 e). Nach dem Urteile Daisers lastete unter der Direktion des Abbés Schmidt wegen der in der Hauptsache wissenschaftlichen Tätigkeit und der imgenügenden archivalischen Kenntnisse dieses gelehrten Mannes der 1 Am 21. Febr. 1783 wurde R. in die Wiener Freimaurerloge zur wahren Eintracht aufgenommen. (Vertrauliche Akten.) Schon 1764 war das Drama Olist und Sophronia, dessen 4. und 5. Akt R. gedichtet hatte, in Wien aufgeführt worden; vgl. das unten (Biographie) aufgeführte Lexikon von Hamberger-Meusel.