Inventare Teil 5. Band 4. Gesamtinventar des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs (1936)
Biographien der Archivbeamten seit 1749 von Franz Hüter
110 Biographien. (1839). R. war ein begeisterter Bibliophile, seine reiche Bibliothek ist (nach Wurzbach) zum Teil in die Wiener Hofbibliothek, zum Teil in die Innsbrucker Universitätsbibliothek gekommen, die Bibliothek des StA. erhielt schon zu Lebzeiten R.s reichen Zuwachs aus seinen Händen. Diese Bibliothek verwaltete er selbst (vgl. AB. 451 a/2 und 451 a./3, 543 a/1 bis 5). Den Knechtischen Zettelkatalog über die gedruckten Sammelwerke der Staatsverträge hat R. fortgesetzt (AB. 523/2, 3) und einen zweiten für die Zeit von 1705 bis 1841 nach der Literatur angelegt (AB. 519). Auch die rein archivarischen Ansichten R.s muten sehr modern an, ob sie nun Ordnungsarbeiten oder die Evidenthaltung der Archivschätze für Zwecke der Staatskanzlei betreffen. Insbesondere fällt der Eifer auf, mit dem R. die Vervollständigung der Gesandtschaftsarchive aus den in private Familienarchive gelangten Aktenstücken in Vorschlag brachte. Er verfocht oft den Standpunkt, daß ein noch so langer, selbst vieljähriger Besitz kein Recht an staatlichen Archivalien begründen könnte.1 Die Durchführung der Ordnungsarbeiten hat R. fast ganz seinem treuen Helfer Chmel überlassen, aber den sehr zeitraubenden Benützerdienst (von ihm stammen die ersten Benützerakten), die Erledigung der Anfragen der StK. und von auswärts hat R. fast ausnahmslos selbst bewältigt, ja sogar die laufenden Archivprotokolle bis zum Sommer 1842 ebenfalls selbst geführt. Nicht nur die Konzepte, sondern auch zahlreiche Reinschriften wurden, wie der Vermerk „selbst mundiert“ andeutet, von ihm verfertigt. — In R.s Tätigkeit ist noch einer Seite besonders zu gedenken: der Fürsorge für eine systematische Vorbildung des Archivpersonals. R. hat als Erster den Bewerbern um Archivarstellen Prüfungen abgenommen (1841 v. Ar- neth, Baumgartner, Firnhaber). Der Anstellung von Meiller und Wocher war sogar eine sehr eingehende schriftliche Prüfung nach der diplomatischen, historischen und sprachlichen Seite vorangegangen (1842), die unter sieben Konkurrenten nur drei mit einigem Erfolg bestanden haben. Aus den Prüfungsergebnissen hatte R. die Überzeugung gewonnen, daß die damalige Schulbildung an den mittleren und höheren Schulen nicht hinreichte, um den zukünftigen Archivaren eine zuverlässige Wissensgrundlage zu geben. Vor allem gegen die Realien und für ein noch breiteres Studium der klassischen Sprachen als der Erzieher zu gründlicher Arbeit ist R. in seinem an die StK. eingebrachten Berichte eingetreten. Darüber hinaus verlangte R. die Errichtung einer Reihe von historischen Lehrkanzeln an der Universität: für deutsche Reichs- und Rechtsgeschichte, ungarische, slawische und italienische Geschichte, allgemeine Literatur- und Kulturgeschichte. Besonders bemerkenswert ist aber sein Plan der Errichtung einer in engster Verbindung mit dem geh. Hausarchiv stehenden diplomatischen Lehrkanzel, wobei ihm das Vorbild der Pariser Ecole des Chartes vorgeschwebt ist. Alle die angeführten Tatsachen zeigen R.s hohe Berufs- und wissenschaftliche Auffassung und für seine Zeit durchaus neue Ansichten, so daß wir v. Arneths Urteil („Aus meinem Leben“ I, S. 253), R. sei ein „unpraktischer und überhaupt nichts 1 Vgl. Bittner, Festschrift für Nabholz, S. 299, Anm. 1.