Inventare Teil 5. Band 4. Gesamtinventar des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs (1936)

Biographien der Archivbeamten seit 1749 von Franz Hüter

Redlich—Reinhart. 109 nächst Konzeptspraktikant bei der Oberpolizeidirektion Wien, wurde er im Juni 1806 über Empfehlung der tirol. Übergabsbofkommission, die die Verdienste des Vaters für Österreich hervorhob, zur Praxis am geh. Haus­archive zugelassen und im November desselben Jahres provisorischer Archivoffizial. Zunächst Gassier bei der Abfassung des neuen böhm. Reper­toriums zugeteilt (AB. 388), hat R. dann in der Ordnung der Akten, die aus den in Sachen der Pfandschafts-, Thron- und Privatlehen der Krone Böh­men in der Oberpfalz geführten Verhandlungen erwachsen waren (vgl. AB. 417/2, 524 und 525), bald Gelegenheit zu selbständiger Tätigkeit gefunden. Sie hat ihm die volle Zufriedenheit Gasslers und zunächst (1806) den Titel, im April 1808 auch den Gehalt des 3. Archivoffizials eingetragen. Der Archivartitel wurde ihm erst nach dem Tode Gasslers und im Range nach Emmert und Knecht! zuteil (1810). Die in sehr kurzer Zeit bewerkstelligte Ordnung des 1807 aus der niederländischen Kanzlei übernommenen belgischen Archivs und der umfangreichen Korrespondenz Karls V. durch R. wurde besonders belobt (1811). 1812 rückte R. zum zweiten Archivar vor und nach der Ernennung Knechtls zum Direktor wurde er erster Archivar (1834). Seit Knechtls Krankheit und Tod (1838) leitete R. selbständig das Archiv, die Ernennung zum Hofrat und Direktor erfolgte am 17. Juli 1840. Am 7. Mai 1843 bereits ist R. einer Lungenlähmung erlegen. Unter R. ist das geh. Hausarchiv immer mehr in die zweite seiner Aufgaben hineingewachsen: eine Stätte wissenschaftlicher Forschung zu sein, nicht zuletzt durch R.s Verdienst. Stets ist er warm für diese Seite archivarischer Tätigkeit eingetreten und hat mit Beschwerden und Vorschlägen (1839 bis 1841) gegenüber den infolge der stark zunehmenden Archivbenutzung immer unleidlicher werdenden Raumverhältnissen — er forderte dabei Trennung der Lager- und Verwaltungsräume — nicht gespart. Die zeitliche Grenze, die R. vertrat (für Urkunden bis 1519, für Akten bis 1740), be­deuten einen wesentlichen Fortschritt gegenüber der von Fall zu Fall entscheidenden Ängstlichkeit Knechtls. Daß das vorgelegte Material erst überprüft werden mußte, ob ihm nicht dem Staatsinteresse oder dem Erz­hause Abträgliches entnommen werden könnte, ist begreiflich und eine im übrigen erst durch die Revolution von 1918 zu Fall gebrachte Übung. Nicht ohne Rücksicht auf diese gesteigerte Archivbenutzung hat R. — vielleicht von Chmel inspiriert, dem er wohl auch sonst manchen Ge­danken verdankt — eine Reihe von Veröffentlichungen in Vorschlag ge­bracht (1840), die das Archiv selbst in die Hand nehmen sollte: Regesten bis 1519, Monumenta Austriaca (Urkundenbuch), eine historische Geo­graphie Österreichs im Mittelalter, Herausgabe der Venezianischen Ge­sandtschaftsberichte, der politischen Korrespondenz Karls V. und Ferdi­nands I. als der Glanzzeit der Habsburger. R. selbst verfügte über eine umfassende Literaturkenntnis und treffendes Urteil,1 wie ein großer Be­richt über Neuerscheinungen der historischen Literatur, deren Anschaffung er für die Bibliothek des StA. empfahl, besonders deutlich erkennen läßt 1 Über R.s Gutachten über die Aufhebung der aargauischen Klöster vgl. Arnold Winkler, Österreich und die Klosteraufhebung im Aargau, Aarau 1930, II, 296.

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