Inventare Teil 5. Band 4. Gesamtinventar des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs (1936)
Einleitung
Erster Abschnitt. § 1. 31* Sinne des damaligen Standes der Archivkunde, dies gedacht war, sosehr es dem schon damals als richtig erkannten Herkunftgrundsatze widersprach,1 Tatsache ist doch, daß diese Ideen für die weitere Entwicklung der Anstalt und, wie wir unten im fünften Abschnitt (§ 3) sehen werden, auch für die Ordnungsarbeiten vielfach bestimmend wurden. In der Praxis wirkten sich diese Ideen zunächst unheilvoll aus, besonders bei der Behandlung der Archive der aufgehobenen Klöster, die ja seit langem ein Gradmesser für die Umgrenzung des archivalischen Wirkungskreises des StA. war. Arneth trat 1869 über Ersuchen des Landesausschusses von Steiermark dem steiermärkischen Landesarchiv, also einer landständischen Anstalt, die im Eigentum des Staates befindlichen Archivalien der aufgehobenen steiermärkischen Klöster ab, weil diese „weder für die regierende Familie noch für den Staat im allgemeinen ein Interesse“ hätten. Am 17. Mai 1871 erklärte er sich bereit, diese Grundsätze auch allen übrigen Kronländern gegenüber in Anwendung zu bringen. Allerdings knüpfte er daran die Erwartung, daß auch die Kronländer, besonders Böhmen und Tirol, die Archivalien herausgeben würden, welche die Monarchie im ganzen angingen. Schließlich scheute er sich aber doch, die Konsequenzen dieser Erklärung zu ziehen. Als 1872 das niederösterreichische Landesarchiv und das Wiener Stadtarchiv ihre Forderungen nach Abgabe der Archivalien der aufgehobenen niederösterreichischen und Wiener Klöster anmeldeten, behielt er wenigstens die Urkunden zurück, weil durch deren Abgabe die „werthvolle Urkundenparthie des StA.“ „in einer Weise gelichtet werden könnte, welche mit den eigentlichen Zwecken dieses Staatsinstitutes und mit seinem so wohlerworbenen wissenschaftlichen Ansehen nicht ganz im Einklang stünde“. Ein Teil der Akten dieser Klöster wurde aber abgegeben, allerdings in so planloser Weise, daß es große Schwierigkeiten gekostet hat, die damals auseinandergerissenen Teile wenigstens theoretisch wieder zusammenzufügen.1 2 Auch auf die Reste des Archivs des Klosters Millstatt wurde 1876 wieder das unglückliche Auswahlsystem der Gründungsdekrete von 1749—1752 (oben S. 17*) angewandt, Urkunden und Akten „von besonderer Wichtigkeit“ wurden für das StA. ausgeschieden und auf fünf verschiedene Abteilungen aufgeteilt. Die letzten Auslieferungen an Belgien3 erfolgten so systemlos wie die früheren. Auch der Austausch mit 1 Bezeichnend ist, daß schon ein vielleicht von Th. von Sickel inspirierter Artikel der „Vorstadtzeitung“ vom 30. Juni 1871, der guten Einblick in die organische Entwicklung von Archivkörpern zeigt, vor dem „hereinbrechenden Übel“ des Ameth- schen Planes warnt. Wenn schon nicht auf andere Weise, so hätte sich Arneth als Teilnehmer an der Archivenquete von 1869 (vgl. oben S. 25* Anm. 3, Bretholz, M. Ö. I. G. 11. Erg.-Bd., S. 796; L. Groß, Archivschutz in Österreich a. a. 0. 161) über die einfachsten Grundzüge der Archivkunde und über den schon dort in den Vordergrund gerückten Herkunftgrundsatz unterrichten können. Auch das noch von Erb 1858 auf diplomatischem Weg eingeholte Material über die Einrichtungen ausländischer Archive hätte ihm die Kenntnis der neuen archivwissenschaftlichen Ideen verschaffen können. Vgl. L. Bittner, Árpád von Károlyi als Archivar a. a. 0. 19. 2 Ausführungen Latzkes im 3. Band. 3 Siehe unten S. 201—204, 212—214, 242—244 und die Ausführungen Schmids, im 3. Band.