Inventare Teil 5. Band 4. Gesamtinventar des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs (1936)

Einleitung

30* Einleitung. Min. d. Äuß. oder der Kabinettskanzlei des Kaisers seit 1867. Immerhin verstärkte aber die Tatsache, daß das Archiv seit 1867 unter gemeinsamer Verwaltung stand, die Widerstände gegen Abgaben an das StA. und machte die Einschaltung des StA. in eine gesamtösterreichische Archivorganisa­tion 1 nahezu unmöglich. Es ist also sicherlich nicht allein die Schuld Alfreds von Arneth, der 1868 die Direktion des StA. übernahm, wenn nunmehr der Gedanke an eine Aus­gestaltung des StA. zu einem Zentralarchiv aufgegeben wurde. Immerhin hat aber seine einseitige Einstellung auf die Bedürfnisse neuzeitlicher poli­tischer Geschichtsschreibung und seine geringe Vertrautheit mit den Fortschritten der Archivwissenschaft zur Folge gehabt, daß sich der Aus­bau des archivalischen Besitzstandes des StA. in den folgenden Jahrzehnten teils nach schon damals veralteten Grundsätzen, teils aber gänzlich planlos vollzog. Schon in den Berichten vom 2. Mai 1869 und vom 23. Mai 1870 erklärte Arneth, daß er den Standpunkt Hormayrs und seiner Nachfolger in der Frage der Ausgestaltung des StA. zu einem Zentralinstitut nicht teilen könne, ja überhaupt die räumliche Vereinigung von Archivalien zu einem Zentralarchiv widerraten müsse. Er war aber nicht in der Lage, an die Stelle dieser von ihm aufgegebenen Richtlinien eine konstruktive Idee zu setzen. Ihm schwebten zunächst, wie aus einem Bericht vom 17. Mai 1871 hervorgeht,1 2 unklare und die Hormayrschen Ideen an Undurchführ­barkeit noch weit übertreffende Vorstellungen von einer unter Übertragung der Gesichtspunkte der Gründungsdekrete von 1749—1752 (oben S. 17*) auf Akten durchzuführenden Auswahl aller Archivalien, die das „Kaiser­haus sowohl in seiner Gesamtheit als in seinen einzelnen Zweigen und Mit­gliedern angeht, dann aller Urkunden und Akten, welche den Staat in seiner Gesamtheit ... betreffen“, vor. Unter diesen Gesichtspunkten schlug er einen Austausch von Urkunden und Akten zwischen dem StA., dem Hof­kammerarchiv, dem Kriegsarchiv, dem Archiv des Min. d. Inn. und den Archiven der Länder vor und ließ auch gleich im eigenen Archiv mit den Vorarbeiten hiezu beginnen.3 Wenn Arneth, der sich, wie sein Bericht vom 31. Oktober 1872 zeigt, selbst noch keine Rechenschaft über die Einzel­heiten der Durchführung gegeben hatte und, ohne dies zu tun, „Hand ans Werk“ legen wollte, damals nicht vom Min. d. Inn. an der Ausführung seiner Pläne gehindert worden wäre, so wäre es zu einer Hunderttausende von Stücken in Bewegung setzenden, niemals vollendeten und nur chaotische Zustände zurücklassenden Aktenbewegung gekommen, wie er sie selbst 1865 im kleinen bei der Übernahme und Aufteilung des Hand­archivs Kaiser Franz’ I.4 verursacht hatte. So unarchivalisch, auch im 1 Sie kam übrigens damals, wie wir gesehen haben, nicht zustande. Vgl. L. Groß, Archivschutz in Österreich a. a. 0. 169—171, 177—182 und unten 2. Abschnitt § 4.- Ähnliche Ideen entwickelte Arneth auch noch in den Jahren 1872, 1877 und 1881. 3 Diesen sonderbaren Arbeiten verdankt der Bestand „Hofkammerakten“ (vgl. unten S. 424) sein Bestehen. Vgl. auch L. Bittner, Árpád von Károlyi als Archivar in Levéltári Közlemények (Ungar. Archival. Zeitschr.) 1933, S. 19. 4 Vgl. unten S. 222 (AB. 310, 311), S. 258 (AB. 482) und die Ausführungen von Reinöhls im 2. Bd.

Next

/
Thumbnails
Contents