Inventare Teil 5. Band 4. Gesamtinventar des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs (1936)

Einleitung

20* Einleitung. Rest des noch in Graz liegenden Schatzgewölbearchivs zu gewinnen, so daß dieser 1784 in das Hofkammerarchiv gelangte. Er wies auch die Übernahme wichtiger Adelsarchive und der in das Eigentum des Staates übergegan­genen Archive der 1784 aufgehobenen Klöster zurück, so daß ein großer Teil dieser letzteren zugrundeging, der Rest erst viel später auf Umwegen in das StA. gelangte. Bei aller Einschätzung der persönlichen Unzulänglich­keit Schmidts wird man diese Mißerfolge doch auch auf Rechnung der fal­schen, auf dem Auswahlsystem beruhenden Programmstellung der Grün­dungsdekrete von 1749—1752 setzen müssen, deren technische Durchführung so zeitraubend und schwierig war, daß man vor weiteren Erwerbungen zu­rückscheute. So blieb das „Universalarchiv“ lange Jahrzehnte auf einen verhältnismäßig kleinen Bestand von etwas über 13.000 meist mittelalter­lichen Urkunden, etwa (das lothringische Archiv dazu gerechnet) 1400 Aktenfaszikeln und wenigen hundert Büchern beschränkt. Auch vom inhalt­lichen Standpunkt aus war das StA. damals alles eher als ein Universal­archiv. Die Urkunden beschränkten sich hauptsächlich auf die alpenlän­dische und die böhmische Ländergruppe. Die Akten und Bücher stellten, vom lothringischen Archiv abgesehen, das übrigens in den ersten Jahr­zehnten seiner Verwahrung als Fremdkörper behandelt und erst um 1807 näher bearbeitet wurde, ein zusammengewürfeltes Zufallsmaterial dar, aus welchem nur die spärlichen Bestände der österreichischen Akten der Reichs­kanzlei und die Reichsregisterbücher als homogene Gruppen hervorragten. Vom zeitlichen Standpunkt aus waren, wieder vom lothringischen Archiv abgesehen, die Jahrhunderte vom sechzehnten angefangen nur ganz unvoll­kommen vertreten. Die staatlichen Umwälzungen der napoleonischen Zeit und das Ein­greifen des Josef Freiherrn von Hormayr,1 der 1802—1808 Referent der Staatskanzlei für das StA., 1808—1813 Direktor des Archivs war, hielten diesen Erstarrungsprozeß auf. Der Frieden von Campoformio (1797) hatte Österreich den Erwerb des Staatsgebietes der Republik Venedig, der Reichs­deputationshauptschluß von 1803 den Anfall der Reichsstifter Trient und Brixen gebracht. Hormayr veranlaßte eine Reise des Archivars Gassier nach Venedig1 2 und Tirol zur Einziehung der Archive dieser Länder. Bis 1805 gelangten auf diese Weise große Teile des venetianischen Archivs, der Archive von Trient und Brixen sowie von Innsbruck in das StA. Der Franzoseneinfall von 1805 brachte allerdings eine große Störung. Kaum nach Wien zurückgekehrt, mußte Gassier die alten und die neuerworbenen Bestände in 117 Kisten nach Temesvár flüchten. Erst im Juli 1806 gelangte das Archiv wieder nach Wien zurück. Einen Monat später trafen die ersten Transporte des Salzburger und Berchtesgadener Archivs ein, die zu einem 1 Vgl. unten S. 55—60 und S. M. Prem, Geschichte der neueren deutschen Literatur in Tirol, 1. Abt., Innsbruck 1922, S. 59—69 (nach freundl. Mitteilung Hein­rich von Srbiks). 2 Die Instruktion für Venedig bei G. Wolf a. a. O. 42. Vgl. auch J. K. Mayr, Geschichte der österr. Staatskanzlei im Zeitalter des Fürsten Metternich, Inventare österr. staatlicher Archive V (Inventare des Wiener StA.), 2. Bd., S. 75, 79 und unten S. 38, 552.

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