Inventare Teil 5. Band 4. Gesamtinventar des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs (1936)

Einleitung

16* Einleitung. ein.1 In einem von dem Hofkammerrat Christian Julius Schierl von Schieren- dorff in den Jahren 1705—1715 verfaßten Entwurf eines kaiserlichen Paten­tes über die Einberufung eines Generallandtages wird auch die Gründung eines Staats- und Hausarchivs vorgesehen,1 2 an welches beglaubigte Ab­schriften der Privilegien der Stände, Gemeinden und Privatpersonen sowie die bei allen diesen befindlichen Originale von Urkunden aus staatlichem Besitz eingeliefert werden sollten. Wir haben oben gesehen, daß um diese Zeit auch eine regere Befassung mit dem Schatzgewölbearchiv festzustellen ist, die in der Anfertigung mehrerer Abschriften des Repertoriums von Putsch zum Ausdruck kommt. Aus den Jahren 1720—1726 dürfte ein Schriftstück stammen, das die Gründung eines Gesamthausarchivs fordert und ausführlich begründet. Es ist überschrieben: „Ohnvorgreifliche Reflexiones de archivo domus augustae“, als deren Verfasser Alfred Fischei3 ebenfalls den Hofkammerrat Christian Julius Schierl von Schierendorff festgestellt hat. In dieser Denk­schrift von 1720—1726 macht Schierendorff den Vorschlag, das Schatz­gewölbearchiv in das schon im Patententwurf von 1705—1715 vorgesehene „allgemeine oder Universal-Staatsarchivum domus augustae“ einzube­ziehen. Dieser Plan kam zunächst nicht zur Ausführung. Erst die Verlegen­heit, in die man im österreichischen Erbfolgekrieg geraten war, als es an den „zur Verteidigung Unserer Erbfolgsgerechtsamkeiten wider die sich ver­schiedentlich angebenden Prätendenten ... benöthigten, hier und dort bei ehemaliger Residenzwohnung Unsrer Vorfahren in den Ländern zurück­gelassenen Haus- und anderen geheimen Schriften und Documenten“ fehlte,4 führte zu dem auch von den Zentralisierungstendenzen der Zeit getragenen Entschluß, an die Errichtung eines Gesamtstaatsarchivs heranzugehen. Zu­erst (1748) scheint der Plan bestanden zu haben, dieses Gesamtarchiv im Anschluß an die in der Schatzkammer5 befindliche Urkundensammlung zu errichten.6 Ungefähr gleichzeitig (1748) wandte man aber seine Aufmerk­1 Vgl. das Nähere bei Winter 10, 11. 2 Verfasser und Abfassungszeit dieses bei Winter 14 angeführten Entwurfes wurden von Alfred Fischei in dem Aufsatz: Christian Julius von Schierendorff, ein Vorläufer des liberalen Zentralismus unter Josef I. und Karl VI. in: Studien zur österr. Reichsgeschichte, Wien 1906, S. 163—165, 172, 173, 247 (der Entwurf selbst ist auf S. 286 abgedruckt) festgestellt. Dagegen scheint mir das von Jaksch in M. I. Ö. G. 38 (1920), S. 629 abgedruckte Schreiben des Hofkanzlers Grafen Sinzendorf an die Stände von Kärnten vom 30. Jänner 1717 mit einem Neubau für die Registra­turen der Hofkanzlei, vielleicht mit dem um diese Zeit begonnenen Bau des Hof­kanzleigebäudes auf dem Ballhausplatz zusammenzuhängen. In diesem Schreiben wird kein archivum domus augustae genannt, wie O. Mitis in Archival. Zeitschr. 40, S. 141 behauptet, sondern nur in den einleitenden Bemerkungen von Jaksch als Zitat aus den später noch zu behandelnden „Ohnvorgreiflichen Reflexiones“ Schierendorffs. 3 In dem oben Anm. 2 angeführten Aufsatz S. 247—251. Diese Denkschrift ist mit richtiger Datierung, aber ohne Feststellung des Verfassers auch wiedergegeben bei Winter'S. 12—14. * Schreiben Kaiserin Maria Theresias an den Obersthurggrafen in Prag vom 13. Sept. 1749. Winter 15. 5 Siehe oben S. 15* Anm. 7, 8. 6 Winter 16, 17.

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