Inventare Teil 5. Band 4. Gesamtinventar des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs (1936)
Einleitung
14* Einleitung. Abgesehen von diesen äußeren Schicksalen war diese Erstarrung auch in der Strukturänderung der Amtsschriften begründet. Seit dem 16. Jahrhundert treten neben die Urkunden und Amtsbücher, die bisher den nahezu einzigen schriftlichen Niederschlag der Verwaltungstätigkeit gebildet hatten, in immer steigendem Maße die Akten.1 Die Urkunden erscheinen fortan nur mehr in organischem Zusammenhang mit den Akten als Endpunkt einer in Form von Akten geführten Verhandlung. Dies führte dazu, daß man sie zusammen mit den Akten aufbewahrte. Dazu kam infolge des gesteigerten Geschäftsverkehres eine immer stärkere Arbeitsteilung der Verwaltung, die nunmehr in zahlreiche Fachbehörden auseinanderfiel. Alle diese Umstände wirkten der Weiterbildung eines ausschließlichen Urkundenarchivs 1 2 entgegen. Die neu ausgefertigten Urkunden gelangten mit den dazugehörigen Akten in die Registraturen der Fachbehörden, der Reichshofkanzlei, der Hofkammer, des Hofkriegsrates und der österreichischen Hofkanzlei u. a. Das Urkundenarchiv erhielt keinen Zufluß mehr und erstarrte in seinem spätmittelalterlichen Gefüge. Der zeitliche Abstand von der aktuellen Verwaltung vergrößerte sich immer mehr. So wußte man mit dem Urkundenarchiv nichts mehr anzufangen. Es geriet stark außer Gebrauch, wenn auch nicht in fast völlige Vergessenheit, wie behauptet wurde.3 Tatsächlich zeigt das Repertorium von Putsch (unten S. 226 AB. 332) noch einige, wenn auch spärliche Eintragungen aus dem 17. Jahrhundert. 1611 wurde zwischen Ferdinand II., Erzherzog Leopold von Tirol und den übrigen Mitgliedern des Erzhauses ein Übereinkommen geschlossen, das die Schaffung eines gemeinsamen Hausarchivs vorsah, in das alle wichtigen Urkunden aus den verschiedenen Archiven gebracht werden sollten.4 5 Ungefähr um diese Zeit wurden Zusammenstellungen von Urkunden des Schatzgewölbearchivs im Zuge der tirolischen Länderteilungen verfaßt.6 1622 und 1623 bestand der Plan, die älteren in Innsbruck liegenden Reichsakten in das Wiener Schatzgewölbe bringen zu lassen.6 Beide Pläne kamen nicht zur Ausführung.7 Sie zeigen aber doch neben anderen Anhaltspunkten 1 Vgl. H. 0. Meißner, Aktenkunde, Berlin 1935. 2 Als ein solches muß das Archiv der Herzoge von Österreich bezeichnet werden. Es ist uns natürlich bekannt und wird auch in den Abteilungen „Handschriften“ und „Urkunden“ des 3. Bandes näher ausgeführt werden, daß zu diesem Archiv auch Amtsbücher gehörten, die aber das natürliche Korrelat jedes Urkundenarchivs bilden. Auch Akten enthielt das Schatzgewölbe. Stowasser druckt S. 56—61 einzelne solcher ab. Sie bilden aber eine so verschwindende Minderzahl, daß sie an dem Gesamtcharakter des Wiener Schatzgewölbes als eines Urkundenarchivs nichts ändern können. 3 Winter 10. Die folgenden Anhaltspunkte über die Benützung des Schatzgewölbes in der Zeit von 1547—1749 waren Winter entgangen. Die bei Gerson Wolf, Geschichte der k. k. Archive in Wien, Wien 1871, S. 6 ff. zusammengestellten Nachrichten betreffen nur zu einem geringen Teil das Schatzgewölbearchiv. 4 L. Groß, Geschichte der deutschen Reichshofkanzlei von 1559 bis 1806, Inventare österr. staatlicher Archive V/1 (Wien 1936), S. 286. 5 Hs. suppl. 59. Vgl. die Ausführungen von Antonius im 3. Band. 6 Groß 285. Unter Ferdinand II. gelangten auch Urkunden aus Graz in das Schatzgewölbe, s. die Ausführungen Kletlers im 3. Band. 7 Die 1627 tatsächlich in Innsbruck erhobenen Reichsakten kamen in die Registratur der Reichshofkanzlei, L. Groß 286.