J. K. Mayr: Inventare Teil 5. Band 3. Metternichs geheimer Briefdienst. Postlogen und Postkurse (1935)

I. Die Postlogen - 1. Organisation

I. Die Postlogen. Postlogen zu errichten, die die Regierung unter Vermeidung jeglichen Argwohnes in Kenntnis aller von innen und außen drohenden Gefahren setzen konnten, galt von jeher als ein landesfürstliches Hoheitsrecht. Ihm ist auch die grundlegende Entschließung Kaiser Franz"' von 1806 entsprungen, die an die Übung der josefinischen Zeit anknüpfte1). Ein tiefes, nur selten gelüftetes Geheimnis umgab diese Institution, und so weit ging zuweilen die Vorsicht, daß die darauf bezüglichen Worte im Konzept ausgelassen und erst in der Reinschrift eingetragen wurden. Wo immer es anging, wurde in diesen Dingen der mündliche dem schriftlichen Verkehre vorgezogen; eine einzige Instruktion nur ist, wie es scheint, aus der Metternichzeit (1835) auf uns gekommen. Was sich an schriftlichen Zeugnissen solcher Art ansammelte, wurde so viel als möglich wieder beseitigt. Kein Wunder also, daß nur ver­hältnismäßig wenige, vielfach unzusammenhängende Schriftstücke auf uns gekommen sind. Dreimal hat Metternich dieses Staatsgeheimnis — ganz oder teilweise — preisgegeben. 1817 hat er Toskana die Auflösung interzipierter Ziffernkorrespondenzen in Aussicht gestellt (S. 16 f.), 1833 dem Zaren Inter- zepte entzifferter diplomatischer Korrespondenzen vorgelegt und die russische Staatskanzlei schriftlich und mündlich genauer unterrichten und 1833 für den neuen sardinischen Innen- und Polizeiminister Grafen Pralormo, der sein Land dreizehn Jahre lang am Wiener Elofe vertreten und als ein streng konser­vativer Mann freundschaftliche Beziehungen zu Metternich unterhalten hatte, eine erstaunlich offenherzige Abhandlung über Zweck und Einrichtung des Geheimen Dienstes zu Papier bringen lassen (S. 23), deren Inhalt selbst vor dem Grafen Bombelles, dem österreichischen Gesandten in Turin, der sie Pralormo zu überreichen hatte, verborgen gehalten wurde2). Der Bedeutung, die den Postlogen zukam, war man sich am Wiener Hofe wohl bewußt. Daß z. B. Karlsbad im Jahre 1819 zum Konferenzorte der deutschen Bundes­minister ausersehen wurde, hing für Metternich nicht zuletzt mit der Mög­lichkeit zusammen, mit Hilfe der dortigen, sehr leistungsfähigen Postloge früh genug in die Korrespondenz der Konferenzmitglieder Einblick nehmen zu können. Und welche Rolle die Interzepte auch später, etwa in der grie­chischen Frage, gespielt haben, das zeigen die Tagebuchaufzeichnungen Pro- kesch-Ostens aufs deutlichste8). i. Organisation. Einige Postlogen — die sogenannten Polizeilogen — unterstanden der Polizeihofstelle, alle übrigen der Geheimen Ziffernkanzlei, die einen Teil der kaiserlichen Kabinettskanzlei bildete. In der Flaupt- und Residenzstadt Wien 1) A. Fournier, Geheimpolizei auf dem Wiener Kongreß 9 ff.; Fr. Walter, Staatl. Polizei unter Josef II. (Mitt. d. V. f. Gesch. d. Stadt Wien 7) 45 lf.; Bericht Cobellis 52 X j Gend. dep. 437/1853. ") Bericht Cobellis 52 X 5 Gend. dep. 437 aus 1853; Mett, an Pralormo 35 VI 23 acta secreta n. 465. 3) Mett, an Neuberg 19 IV 30 Interiora 2; Prokesch-Osten 1. c. 204 ff. 1 3

Next

/
Thumbnails
Contents