J. K. Mayr: Inventare Teil 5. Band 3. Metternichs geheimer Briefdienst. Postlogen und Postkurse (1935)
I. Die Postlogen - 1. Organisation
war der geheime Postdienst im Interesse der Sicherheit der kaiserlichen und ministeriellen Korrespondenz zwischen der Loge des Obersthofpostamtes und der Geheimen Ziffernkanzlei geteilt. Der Direktor dieser letzteren empfing seine Weisungen und die Verzeichnisse jener Personen, deren Korrespondenz überwacht werden sollte, teils unmittelbar vom Kaiser, teils von den Ministern des Äußern und der Polizei. Diese Verzeichnisse übermittelte er der Loge des Obersthofpostamtes, die die betreffenden Briefschaften aushob und ihm zur Eröffnung und Durchforschung zusandte. 1791 ist dieses Verfahren als „ganz geheime Polizei“ bezeichnet worden*). In den Postlogen gesdiah die Auswahl und Durchforschung der Briefschaften vielfach durch Delegierte der Geheimen Ziffernkanzlei (S. 9) auf Grund der Weisungen und Adreß- listen, die sie teils von dem Landesgubernium und der Polizeidirektion, teils unmittelbar von der Geheimen Ziffernkanzlei empfingen. An diese sandten sie die gewonnenen Interzepte ein, die nächst dem Kaiser nur noch von den Ministern des Äußern und der Polizei eingesehen werden durften. In besonderen Fällen erhielten auch die Landesgubernien davon Kenntnis. Täglich mehrere Stunden, so berichtet Prokesch-Osten, verbrachte der Kaiser mit der Durchsicht der Interzepte, ehe er sie weiterleitete1 2 3). Bei den Postlogen der Provinzen litt der Geheime Dienst ebenso unter der Lückenhaftigkeit des staatlichen Verwaltungsapparates wie an dem Mangel an tauglidien Postbeamten, so daß sich ein vollständiges Postkontroll- system nur schwer erzielen ließ. Lediglich in Lombardo-Venezien wurde der Postdienst in allen größeren Städten von Staatsbeamten versehen. In den anderen Provinzen war dies meist nur an den Sitzen der Landesregierungen der Fall. Die übrigen Postämter wurden erst allmählich „auf mehr ärarische Verwaltung umgeformt“ oder unterstanden noch den alten Postmeistern, die mehr Privatunternehmer als Staatsbeamte waren. Einzelne Postämter waren mit Rechnungskontrolloren versehen, die zur Leitung des geheimen Postdienstes herangezogen wurden'’). In Wien wie in den Provinzen fehlte es an einer systematischen, reihumgehenden Durchforschung der ein- und auslaufenden Briefschaften4). Die heimliche Durchforschung der Briefe bedurfte — wenn sie gelingen, d. h. wenn der Adressat nichts davon wahrnehmen sollte — neben einer großen manuellen Geschicklichkeit auch eines besonderen Instrumentars, das aus einer Paste samt Reibschale und Stößel, einer Anzahl rauchloser, dünn- dochtiger Kerzchen, einem Leuchter samt Hütchen, einem metallenen und einem beinernen Messer bestand. Die Briefe trugen Adresse und Verschluß entweder unmittelbar auf der Vorder- und Rückseite des zusammengefalteten Briefpapieres oder — seit dem 18. Jahrhundert — auf einem besonderen Briefumschläge, den sich der Briefschreiber noch bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts selbst zurechtzufalten pflegte; das lernte man damals schon in der Schule5). Zum Briefverschlusse dienten seit dem 17. Jahrhundert an1) A. F o u r n i e r, Josef II. u. d. Geh. Dienst (Hist. Studien u. Skizzen 3) 7. 2) Mett, an Pralormo (Anm. 2 S. 3); Prokesch-Osten 1. c. 25, 120. 3) Peters Ideen über die zweckmäßige Organisation des höheren Dienstes 1823 Notenwechsel ad Hofkammer 143 b. 4) Memoire über eine zweckmäßigere Einrichtung der höheren Staatspolizei 06 II 28 Notenwechsel m. d. Polizei 71. 5) G. Steinhausen, Gesch. d. deutschen Briefes 2, 405. 4