J. K. Mayr: Inventare Teil 5. Band 3. Metternichs geheimer Briefdienst. Postlogen und Postkurse (1935)

I. Die Postlogen - 18. Vermischte Briefe und gehäufte Ziffernschlüssel - 19. Schlüsselbriefe

Diese Beispiele lehren zugleich, daß sich die österreichischen Postlogisten auf die Enthüllung von Deckadressen sehr wohl verstanden haben. Eifrig spähten sie allerorten nach denen aus, die derartige, ihnen verdächtig erschei­nende Briefe abholten, oder sie nahmen auch unmittelbar in sie Einblick. Ähn­lich wurde der mit der Karlsbader Postloge korrespondierende Frankfurter Postrat Heller (S. io) im besonderen angewiesen, die Auf- und Ausgabe von Briefen mit vermutlich fingierten oder zwischengeschalteten Adressen mit besonderer Aufmerksamkeit zu verfolgen. 18. Vermischte Briefe und gehäufte Ziffernschlüssel. Neben dem Hilfsmittel der Deckadressen kam auch das der Vermischung zur Anwendung. Man verbarg bestimmte Briefe einzeln in größeren Sendungen unverdächtiger Gegenstände. So zog z. B. die Wiener Postloge einen an das Bankhaus Rothschild gerichteten Brief mitten aus einem großen Aktienpaket hervor, das diesem mit einer Verkaufsordre von Paris zugekommen war1). Desselben Verfahrens bedienten sich auch die Postverwaltungen unter sich, wenn es sich um die Verschleierung vertragswidriger Postrouten handelte. So mengte die Walliser Postadministration (S. 73) zur Täuschung der sar- dinischen unter die nach Mailand gehende Genfer Post Pariser Korresponden­zen gleicher Bestimmung. In der Gegenrichtung wurden zur Hintergehung der französischen Postämter parmesanische und modenesische Briefschaften mit den lombardischen vermischt (S. 94 f.). Auf ähnliche Weise besorgte der spanische Kurier zwischen Madrid und Rom neben der diplomatischen Post auch den privaten Briefverkehr seiner Landsleute. Ein fast unbegrenztes Vertrauen haben die fremden Regierungen in die Unauflösbarkeit ihrer Ziffernschlüssel gesetzt. Mit Unrecht, wie wir wissen (S. 32). Nur in Frankreich ist man einen Schritt weiter gegangen: man wech­selte innerhalb eines einzigen chiffrierten diplomatischen Aktenstückes zu­weilen viermal und öfter den Ziffernschlüssel2). Andere Höfe glaubten allen Sicherheitsanforderungen Genüge zu leisten, wenn sie ihre Ziffernschlüssel innerhalb kürzerer Fristen erneuerten. 19. Schlüsselbriefe1). In besonderen Fällen, wenn Ziffern nicht angewendet werden konnten und Deckadressen allein keine ausreichende Sicherheit boten, hat man zu dem allgemein gebräuchlichen Mittel der Schlüsselbriefe gegriffen. Man schrieb sie ohne besondere Vorsichtsmaßregeln und in einem anscheinend ganz un­verfänglichen Sinne, jedoch immerhin in solchen Wendungen und Ausdrücken, daß der eingeweihte Adressat die unterlegte Bedeutung derselben verstehen konnte. Dieses Hilfsmittels hat sich Metternich im April 1815 nach der Rückkehr Napoleons aus Elba bedient. Er sandte einen Handlungskommis des Hauses Arnstein nach Paris, der sich an den französischen Polizeiminister Fouché heranzumachen und ihn zur Entsendung eines Mittelsmannes nach Basel aufzufordern hatte, woselbst dieser mit einem Bevollmächtigten Metter­1) Interzept 40 IX 26 Interzepte 53. 2) Interzept 28 VII 12 Interzepte 14. *) Vgl. — auch zum folgenden Kapitel — E. Drösche r, Methoden der Geheim­schriften. 40

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