J. K. Mayr: Inventare Teil 5. Band 3. Metternichs geheimer Briefdienst. Postlogen und Postkurse (1935)

I. Die Postlogen - 14. Die Kuriere

gestaltete sich die Auflösung des russischen Ziffernschlüssels. Löschner „verlor bei seiner Bearbeitung die Besinnung“, ehe ihm nach fast vierjährigen Mühen die Entzifferung gelang — kurz bevor ihn ein glücklicher Fund auf anderem Wege zutage förderte8). Die Schwierigkeit der russischen Ziffernschlüssel führte Löschner auf die Mitteilung von 1786 zurück. Auch hielt er es für sicher, daß die Russen gleichfalls Dechiffreure besaßen. Cobelli beargwöhnte auch die Franzosen, während er die Engländer und namentlich die Preußen für harmlos hielt. Nicht minder langwierig gestaltete sich später die Auf­lösung des hannoveranischen Ziffernschlüssels und die des neuen, nach einem dem russischen ähnlichen Systeme gearbeiteten französischen. 1833 wurde der Ziffernschlüssel des französischen Gesandten in Florenz entdeckt. Die eng­lischen Ziffernschlüssel hielt Cobelli für die schwierigsten und ihre Auflösung für eine einzig in Europa dastehende Leistung. Mit der Entzifferung der türkischen waren besondere Fachleute betraut, so 1840 der Staatskanzleirat Valentin von Huszár. Den toskanischen Ziffernschlüssel hat Löschner 1815 in Paris aufgelöst9). Höchst selten nur, daß von unauflösbaren Ziffernschlüsseln die Rede ist. 14. Die Kuriere1). Die Gewinnung dieser Ziffernschlüssel hing nicht zuletzt mit der Frage zusammen, welcher Mittel sich die fremden Regierungen zur Beförderung ihrer diplomatischen Korrespondenzen bedienten: vertrauten sie sie der Post an, dann entgingen sie den österreichischen Logen nicht, verwendeten sie hiezu besondere Kuriere, dann blieben ihre Korrespondenzen der österreichischen Regierung verborgen und nur die Pässe der Polizei und die Postpferdelizenzen der Staatskanzlei ermöglichten ihr in solchen Fällen eine allerdings ganz un­zureichende Kontrolle. Solange das Reichspostwesen der Thurn und Taxis blühte, wurden ihm die Gesandtschaftsberichte und die Regierungsdepeschen der deutschen Regentenhäuser fast ausnahmslos anvertraut. Das änderte sich mit dem Ende des alten Reiches. Nun wurden auch minder wichtige Depeschen durch Kuriere oder auf geheimen Wegen befördert2). In ähnlichem Sinne lauteten die Vorschläge, mit denen sich der Wiener sardinische Gesandte in den Dreißigerjahren nach Turin wandte3). Dazu kam die Unterscheidung, die das Völkerrecht zwischen ordentlichen und außerordentlichen Kurieren machte. Nie konnte das Territorium eines souveränen Staates von einer fremden Regierung eigenmächtig für ihre Zwecke — also auch nicht für ihre ordentlichen Kuriere — benützt werden. Unter­lagen somit diese besonderen zwischenstaatlichen Abmachungen, so konnten sich die außerordentlichen Kuriere ungehindert von Staat zu Staat bewegen. Allerdings nur in Ausnahmsfällen. Dennoch ist verschiedentlich der Versuch unternommen worden, Kurierpassagen, die auf ordentlichem Wege unzulässig waren, unter dem Vorwände der Außerordentlichkeit zu bewerkstelligen. Das hat zuweilen auch Metternich so gehalten. Wichtiger waren ihm doch die 8) Gutachten Löschners (Anm. 1 S. 31); Vortrag 11 IX 16 Vorträge 279. 8) Vortrag 15 XI 17 Vorträge 295; Eichenfeld an Mercy 22 VIII 12 Notenwechsel Kabinett 1; Vortrag 27 VII 3 Vorträge 369; Weisung (Anm. 24 S. 7). *) Vgl. J. K. Mayr 1. c. 100 ff. 2) Memoire (Anm. 4 S. 4); A. Fournier, Geheimpolizei 24. 3) M. Alberti 1. c. 1, 12. Mayr, Metternichs geheimer Briefdienst. 3 33

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