J. K. Mayr: Inventare Teil 5. Band 3. Metternichs geheimer Briefdienst. Postlogen und Postkurse (1935)
I. Die Postlogen - 13. Eigene und fremde Ziffernschlüssel
u. dgl. m. Mit Recht hielt Löschner die von der Ziffernkanzlei gelieferten Ziffernschlüssel für so geheim, daß er sie weder beim Chiffrieren noch beim Dechiffrieren mehr als einem Beamten anvertraut wissen wollte: wenn dieser dabei diktierte, dann konnte dadurch vermieden werden, daß der Schreiber Einblick: in das System des Ziffernschlüssels gewann, wobei freilich, soferne etwa „ein lauschendes Ohr zu vermuten war“, beim Dechiffrieren nur leise diktiert werden durfte. Kein Ziffernbericht verließ nach seinem Einlangen das Ziffernkabinett wieder; ausgegeben wurden lediglich die Abschriften, die aufgelösten Originalziffernberichte aber vernichtet. So konnte niemand in die Lage kommen, den Ziffernschlüssel zu rekonstruieren1). In früheren Epochen waren die Ziffernberichte Zeile für Zeile überschrieben ausgegeben worden. Aus Sicherheitsgründen wohl auch war das Ziffernkabinett der Staatskanzlei mit möglichst wenig Beamten besetzt. Von 1809 bis 1818 waren es drei an der Zahl, Hoppé, Sdiweiger und Baron Krufft, der auch im chemischen, vor 1809 von Hoppé und Lebzeltern bedienten Fache Verwendung fand und im April 1818 durch Selbstmord endete. Nach Hoppés Tod (1821) blieb Schweiger als „Chiffreur en chef“ zurück, bis er 1839 mit 54 Dienstjahren in den Ruhestand trat. Nach ihm übernahm Baron Karl Siber, sein bisheriger Stellvertreter, das entnervende, aber ehrenvolle Amt2). 13. Eigene und fremde Ziffernschlüssel. In den ersten Jahren der Staatskanzlerschaft Metternichs waren die in der Geheimen Ziffernkanzlei für den eigenen Gebrauch hergestellten Ziffernschlüssel von der einfachsten Art, befand sich doch, wie Löschner bemerkte, der Redakteur derselben — Hofrat Kronenfels — „im Stande der zweiten Kindheit“. Noch 1811 ließ ihm Metternich die Ausarbeitung neuer unauflösbarer Ziffernschlüssel auftragen und einen hohen Preis aussetzen. Die alten, mangelhaften Ziffernschlüssel wurden allmählich eingezogen1). 1835 wurden neue Ziffernschlüssel angefertigt, Tabellen mit bestimmten Ausschnitten, die aufgelegt wurden. Auf Kongresse wurden die Ziffernschlüssel nur für jene Korrespondenzlinien mitgenommen, die nicht über Wien gingen. Die Wien durchlaufenden Berichte wurden, ehe sie weitergingen, sogleich im Ziffernkabinett dechiffriert, dort auch die am Kongreßorte entworfenen Chiffreweisungen dem eingesendeten Wortlaute entsprechend auf das von Metternich in bianco Unterzeichnete Schreibpapier übertragen und weitergeleitet2). Ziffernschlüssel für die eigene Korrespondenz wurden von allen Staaten, ja selbst von Privaten zum Gebrauche des Publikums entworfen. Die Wiener Geheime Ziffernkanzlei ist darüber hinausgegangen. In einigen Fällen hat sie solche auch für auswärtige Staaten ausgearbeitet, so 1820 für Neapel, 1836 für Spanien und 1839 für Rußland3). Maßgebend für diese merkwürdige Tatsache mögen das Ansehen und die Vertrauenswürdigkeit des Wiener Hofes gewesen sein. In Wirklichkeit hat sich dieser — wie hätte es auch anders sein 1) Weisung für die 5. Sektion der Staatskanzlei 10 XI 29 Interiora 1; Löschner an Hudelist (Anm. 13 S. 20); Gutachten Kruffts 16 IX 20 Interiora ad 27. 2) Mercy an Mett. 39 XII 15 acta secreta n. 544; vgl. J. K. M a y r 1. c. 83 ff. ’) Gutachten Löschners 10 XI 15 Vorträge 276; Mett, an Kronenfels 11 IX 5 1. c. 279. 2) Actes ä prendre ä Verone 22 IX 25 Deutsche Akten 182 (alt). 3) Mercy an Stürmer 20 X 17 Interiora 92; Depont an Ottenfels 36 VIII 25 1. c. 87; Notiz auf Interzept 39 II 24 Interzepte 37. 31