J. K. Mayr: Inventare Teil 5. Band 3. Metternichs geheimer Briefdienst. Postlogen und Postkurse (1935)

I. Die Postlogen - 11. Die Geheime Ziffernkanzlei

Staatskanzlei mit reichen statistischen Materialien über die inneren Verhält­nisse Rußlands — zumal die finanziellen und kirchlichen —, die die russische Regierung in einen undurchdringlichen Schleier hüllte1). 1839 hat Graf Horrer, ein ehemaliger französischer Offizier, unter dem Decknamen eines Freiherrn von Forsting in Metternidts Auftrag eine Kundschafterreise nach Rußland unternommen2). In Frankreich versahen seit 1815 der Marquis Giamboni, der Chevalier de Kentzinger, später Maire von Straßburg, der zwölf Jahre lang in Diensten des Vaters des Staatskanzlers gestanden war, der Freiherr Ferdinand von Eckstein, der 1824 ins Kabinett des französischen Außenministers eintrat3), und seit der Mitte der Dreißigerjahre der „einzige und unersetzliche“, dennoch aber insgeheim überwachte Klindworth, der „meisterhafte Darstellungen der dem Auge unsichtbaren Lage der Dinge“ lieferte4), Kundschafterdienste für Österreich. Neben ihnen widmete sich der ehemalige französische Generalstabshauptmann St. Genis, der nach der Ent­thronung Karls X. in österreichische Militärdienste getreten war, der Beob­achtung der französischen Armee5), überwadite Mocchetti das Treiben der italienischen Flüchtlinge, verfolgte Puget de Savignon in Marseille die Ent­wicklung der französischen Dampfschiffahrt (S. 96 ff.)6). In Italien, wo der Widerstand gegen Metternichs konservative Territorial­politik die tiefsten Wurzeln geschlagen hatte, spann eine selbst vor dem Vize­könig verborgen gehaltene Zentralbeobachtungsanstalt von Mailand aus ihre geheimen Fäden über das Land. Erst leitete sie Guicciardi, der Vizepräsident des lombardischen Guberniums, dann mußte sie 1819 vorübergehend aufgelöst werden. Aber schon 1820 konstituierte sie sich im engeren Rahmen der Militärverwaltung aufs neue. Graf Bubna, der kommandierende General der Lombardei, übernahm selbst die Leitung, der Mailänder Platzkommandant vollzog seine Aufträge, der Generalkommandoadjutant führte die Korrespon­denz, ein Hauptmann die geheime Kasse. Marchese Tassoni, Trouqui und der Toskanese Tito Manzi — dieser als geheimer, d. h. geheim geführter österreichischer Regierungsrat — leisteten Kundschafterdienste. Nach Bubnas Tod (1825) wurde die Zentralbeobachtungsanstalt endgültig aufgelöst. Tito Manzi wurde der österreichischen Gesandtschaft in Florenz unterstellt, der vor ihm Torelli — mit besonderer Bestimmung für Pisa — gedient hatte, und aus den geheimen Geldern der Staatskanzlei weiter besoldet7). Aus derselben Quelle erhielt in den Dreißigerjahren der portugiesische Kundschafter Saraiva seine Entlohnung. In Deutschland wirkte das Mainzer Zentralinformations­büro, der Mittelpunkt eines weit über Deutschland, Belgien, Frankreich und die Schweiz ausgespannten Kundschafternetzes, in ähnlichem Sinne. ii. Die Geheime Ziffernkanzlei. Niemals hätte der Geheime Dienst in Österreich jenen Grad von Voll­kommenheit erreichen können wie im Zeitalter des Fürsten Metternich, wenn *) Vorträge 29 X 3, 33 VI 2 Vorträge 382 acta secreta n. 415. 2) Mett, an Ottenfels 39 X 3 Rußland 40. 3) D. Rosen thal 1. c. 1, 74 ff.; Varnhagen, Blätter 2, 437 f. 4) Vortrag 37 IX 10 Vorträge 420. 5) Vorträge 33 VI 15, 40 V 15, 47 VI 7 acta secreta nn. 418, 546, 567 bis („567 bis“ ist eine Doppelnummer). 6) Vortrag 34 IV 28 Informationsbüro, Vorträge. 7) Vorträge 19 X 12, 25 VI 20, IX 22 Vorträge 322, 357, 359. 27

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