J. K. Mayr: Inventare Teil 5. Band 2. Geschichte der österreichischen Staatskanzlei im Zeitalter des Fürsten Metternich (1935)

III. Die Organisation der Staatskanzlei - 2. Die inländische Abteilung

machte 16°). Audi früher schon war er zu geheimen und heiklichen Diensten — einer Informationsreise nach Deutschland wegen der falschen, 1803 nach Böhmen kommenden Bankozettel und zwei Jahre später zur Ab­stellung des Brotmangels in Prag und zur Bergung der böhmischen Kron- insignien, Kassen, Pretiosen und Kirdienschätze — verwendet worden. Baldacci, ein herber Kritiker der Staatskanzlei und ihres Beamtenkörpers, hat seine Verdienste als grundlos, überspannt und bombastisch be­zeichnet161). Mit i. Jänner 1811 ist Baron Bretfeld in die Staatskanzlei eingetreten 162). Hier hatte er im Rahmen der vierten Sektion den Noten­wechsel mit den Hofstellen, die Ausfertigung der Pässe, die Angelegen­heiten des Zeremoniells und der Etikette, der Titel und Orden, der Sphragistik, Heraldik und Numismatik zu bearbeiten. 1813 begleitete er — der englischen (wie der tschechischen) Sprache vollkommen kundig — Wessen berg unter vielen Fährlichkeiten nach London und benützte diese Gelegenheit dank seiner Beziehungen zu den Unterstaatssekretären Cook und Hamilton zu allerlei vertraulichen Informationen163). 1813 befand sich Baron Bretfeld im österreichischen Hauptquartier. Im Mai 1816 ist er zum Staatskanzleirat der inländischen Abteilung ernannt worden. Sein Agendenkreis umfaßte nun auch die englische Korrespondenz in Kurrent- und Privatangelegenheiten, die österreichischen Akademien der bildenden Künste sowie alle sonstigen Angelegenheiten der Kunst und Literatur, der Erfindungen und nach Hudelists Tod auch die der kaiserlichen Familie und des Hausarchivs 164). Die Akten enthalten interessante Beweisstücke hiefür, so ein Empfehlungsschreiben für Franz Liszt, eine Auszeichnung Jakob Meyerbeers, ein Preisausschreiben für den Entwurf einer Donau­brücke mit Tiefenpfeilern, ein Gutachten über die Vignette auf König Ferdinands Vermählungshandschuhen (eine entkleidete Fortuna) u. dgl.165). Auch um die Einrichtung eines österreichischen Reichsheroldsamtes hat sich Baron Bretfeld — allerdings vergeblich — bemüht und diesem die Samm­lungen der niederländischen Chambre heraldique des Wappenkönigs vom Goldenen Vließe Beydaels zugrundezulegen gedacht166). Metternich hat den gelehrten, aber überspannten Mann wenig geschätzt. So klagte er schon 1824 über sein verrücktes Gebaren, seinen Beamtendespotismus und seine Großtuerei167). Zehn Jahre später ist Baron Bretfeld in dauernde Sinnesverwirrung verfallen. Schon sah er sich als Metternichs Schwieger­leo) Sie bestanden in der Auskundschaftung der französischen Verteidigungsanstalten, in der Betreuung der österreichischen Kriegsgefangenen, der Bergung wichtiger Akten und der Rettung der auf den Wällen der Residenz zu Schanzzwecken verwendeten Baumwoll- ballen u. dgl. m. — Gentz nannte Bretfeld 1813 falsch, kleinlich und affectiert (vgl. K. Mendelssohn-Bartholdi 1. c. 1, 88). 101) ii VI 22 Vortrag Personalia 2. 16S) 10 XII 25 Vorträge 276. 1C3) 13 XII 27 Schreiben Bretfelds Personalia 2. 164) 16 VIII 27 Organisierung Interiora 2; 19 II 9 Mett, an Stürmer Interiora 2; 22 IV 16 Geschäfts Verteilung Interiora 2; 35 IX 4 Agendenverteilung Interiora 2. 165) 23 VIII 8 betr. Liszt Wissenschaft etc. 6; 34 VI 10 betr. Meyerbeer Vorträge 409; 23 VI 20 betr. die Nußdorfer Brücke Notenwechsel ad Hofkammer 143 a; 31 II 27 betr. die Vignette Hausarchiv, Vermählungen 25. le6) 16 III 18 Vortrag Beydaels-Selekt 4; 16 XII 9 Vorträge 303; 24 X 22 Vor­träge 353. 187) 24 VIII 20 Mett, an Stürmer Interiora 83. 34

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