J. K. Mayr: Inventare Teil 5. Band 2. Geschichte der österreichischen Staatskanzlei im Zeitalter des Fürsten Metternich (1935)
IV. Der Beamtenkörper der Staatskanzlei - 3. Materielle Verhältnisse
konnte noch immer dessen Gemahlin mit einem entsprechenden Porträtmedaillon bedacht werden. Wenn der Wert des Materials bei Massenherstellungen die Sorgfalt der Ausführung allzuweit übertraf, dann konnte der Empfänger leicht in die Versuchung kommen, die Dosen und Ringe in ihre Bestandteile zerlegen und sie einzeln abstoßen oder anderweitig verwenden zu lassen. So wollte z. B. der preußische Gesandte Wilhelm von Humboldt den Dosensegen des Wiener Kongresses, den er im Jänner i8ij auf über 20.000 Taler schätzte, zu Schmuckstücken für seine Gemahlin umarbeiten lassen. Auch Metternich hat 1815 mehrere kostbare Dosen zerlegen und deren Bestandteile einzeln verwerten lassen. Gentz hat alle derartigen Geschenke für „reine Dupe- rien“ gehalten und ihnen Bargeld vorgezogen 682). Daß so wertvolle Geschenke nicht ohne alle Nebenabsichten gemacht worden sind, versteht sich leicht. Bei Montchenu, dem französisch-österreichischen Kommissär auf St. Helena, führte die Tatsache der durch seine Stellvertretung erzielten Ersparnis von 50.000 fl. zu einer entsprechenden Wertsteigerung der ihm 1822 gewidmeten Dose. Betrafen diese Erwägungen die Vergangenheit, so zogen die diplomatischen Geschenke, die mit dem Abschlüsse von Staatsverträgen verbunden waren, die Zukunft, d. h. die Art ihrer Durchführung in Betracht. Ein ausgiebiges diplomatisches Geschenk konnte den österreichischrussischen Handelsbeziehungen zustatten kommen, künftige, die finanziellen Interessen der Monarchie berührende Verhandlungen erleichtern, andere Staaten verhandlungswilliger machen u. dgl. m. Kaiser Franz haben sich 183 t „gegen diese Gepflogenheiten aus dem Gesichtspunkte der Schicklichkeit und Würde eines Repräsentanten des Souveräns manche Betrachtungen“ aufgedrängt ®83), die Wilhelm von Humboldt, der im Juni 1815 zu Gentzens maßloser Verwunderung ein sehr großes, ihm von privater jüdischer Seite angebotenes Geschenk ausgeschlagen hat, in die Worte kleidete, er kenne nichts Unedleres, als in Geschäften nicht rein und lauter wie Gold zu sein ®84). Dazu kamen Bedenken finanzieller Natur, die England auf dem Wiener Kongresse vorbrachte und die allgemein angenommen wurden, um dadurch die kaum mehr erschwinglichen diplomatischen Geschenke auf ein erträgliches Ausmaß herabzudrücken. Außer den ursprünglichen vier Verbündeten (Österreich, Preußen, Rußland und Großbritannien) wechselte auf dem Wiener Kongresse keine andere Macht solche Geschenke aus 68B). Sparmaßnahmen gleicher Art traf Kaiser Franz im Einvernehmen mit dem Münchner Hofe für alle beiderseitigen Besuchsreisen und unterwarf ihnen später auch seinen Sohn Franz Karl während seiner Werbefahrten um Sophiens Hand. 1831 erließ der Kaiser ein allgemeines Verbot, diplomatische Geschenke zu geben oder anzunehmen. Aber erst mehr als zehn Jahre später ist diese alteingewurzelte Gepflogenheit durch ein neuerliches kaiserliches Verbot endgültig eingestellt worden 686). So mußten 1847 die Ehrene8í) W. und K. v. Humboldt in ihren Briefen 4, 450; 15 VIII 30 Hoppé an Mett. Interiora 81; 21 X 13 Gentz an Bubna 1. c. ioj. ®83) 31 VII 10 Billett an Mett. Vorträge 392. ***) W. und K. v. Humboldt in ihren Briefen 4, $65 ff. ®“) W. und K. v. Humboldt in ihren Briefen 4, 538 f.; 15 V 16 Vorträge 292. ew) 31 VII 10, 43 III 13 Billette an Mett. Vorträge 392, 437; 47 X 28 Note an Hofkammer Notenwechsel 53. 119