J. K. Mayr: Inventare Teil 5. Band 2. Geschichte der österreichischen Staatskanzlei im Zeitalter des Fürsten Metternich (1935)

IV. Der Beamtenkörper der Staatskanzlei - 3. Materielle Verhältnisse

Sondergesandtschaíten — wurden nach alter, internationaler Gepflogenheit an die unmittelbar Beteiligten sogenannte diplomatische Geschenke von z. T. außerordentlich hohem Werte ausgeteilt. So trugen z. B. Maria Louisens Ehepakten von 1810 Metternich, der sie mitunterzeichnete, ein ihm von Kaiser Napoleon gewidmetes silbernes Tafelservice ein 676). Die Vermählung der Erzherzogin Adelheid mit dem sardinischen Kronprinzen Viktor Emanuel war für die beiderseitigen Außenminister und Botschafter mit kostbaren Porträtdosengeschenken verbunden. Nicht so wertvoll, aber un­gleich zahlreicher waren die Ehrengaben, die 1835 an die zur Begrüßung Kaiser Ferdinands erschienenen fremden Abgesandten ausgeteilt worden sind °77). Meist wurden, in genau bemessener Abstufung, Chiffernringe (d. h. Ringe mit dem chiffrierten = abgekürzten Namenszuge des Kaisers auf dem Steine), einfache Chiffern- oder Porträtdosen 878) — alle aus Gold und mit oder ohne Brillanten — verwendet, deren Wert bis auf 10.000 fl. steigen konnte. Der päpstliche Internuntius Peter von Ostini erhielt 1827 ein smaragdenes Bischofskreuz aus der Werkstätte des Hofjuweliers Cohen als Abschiedspräsent. Metternich empfing, wie oben erwähnt, 1810 ein silbernes Tafelservice, sein russischer Kollege 1833 ein Speise- und Dessert­service aus der k. k. Porzellanfabrik im Werte von 3500 fl. Auf dem Wiener Kongresse wurden Rassenpferde geschenkt. Der Sultan erhielt 1837 einen sechsspännigen Pferdezug, sein Großadmiral 1823 einen kostbaren Wagen. Auch chirurgische Instrumentenkästen, Möbelgarnituren und Sammlungen militärischer Gegenstände fanden am Bosporus dankbare Empfänger. Die Anschaffung der Ringe und Dosen oblag dem geheimen Kammer­zahlmeister des Kaisers. Es ist leicht zu ermessen, in welch hohem Grade diese zahlreichen, aus edelsten Rohstoffen angefertigten Wertgegenstände — die sogenannten Nippes — die österreichischen Goldschmiede und Miniaturmaler beschäftigt, angeregt und befruchtet haben. Das Ausmaß ihrer Ausstattung richtete sich nach dem Range des Hofes, der Wichtigkeit des Gegenstandes, nach Charakter, Einfluß und Haltung der fremden Ver­treter 679). Dem päpstlichen Nuntius und den Botschaftern kam die höchste Wertstufe von 8000—xo.ooo fl. zu, den Gesandten die nächst niedrigere von 3000—6000 fl. Von den Dreißigerjahren an sank das Ausmaß in beiden Stufen rasch herab. Metternich pflegte es nicht selten selbst in den an den Kaiser gerichteten Vortrag einzusetzen 68°). So fest waren diese Gepflogen­heiten international verankert, daß sie, wenn eine vermeintliche oder tat­sächliche Unterbewertung vorlag, kurzer Hand zurückgewiesen werden konnten, worauf eine entsprechend höhere Neubewertung erfolgte. In besonderen Fällen — etwa beim Tode eines schon abberufenen fremden Ge­sandten — konnte das diplomatische Geschenk den Hinterbliebenen im entsprechenden Barbetrage ausgefolgt werden 681). Und durfte es auch der Botschafter selbst — so 1831 Lord Cowley — nicht mehr annehmen, dann "7") ii IV 16 Vorträge 278. ®77) 1835 PräsentenVerzeichnis Hausarchiv Regierungsantritte. ®78) E. L e i s c h i n g 1. c. 146 ff. *79) 22 VIII 12 Vorträge 340. *“) 29 IX 13, 41 XI 16 Vorträge 382, 433. *81) 17 III 28, 29 II 18, 31 VII 23 Vorträge 305, 378, 392. 118

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