J. K. Mayr: Inventare Teil 5. Band 2. Geschichte der österreichischen Staatskanzlei im Zeitalter des Fürsten Metternich (1935)
IV. Der Beamtenkörper der Staatskanzlei - 1. Im allgemeinen
sich zuweilen selbst in den geheimsten diplomatischen Dienstpaketen Schmuggelware befand, das war naturgemäß nur wenigen bekannt. Und drängte die Fürstin — wie etwa einmal in Königswarth — voll Ungeduld auf die Eröffnung solcher Pakete, dann konnte dies, wenn sie Aktenstücke enthielten, sogar dem Dienste zugutekommenB93). Naturgemäß war die Zollbehörde, wo immer sie einzuschreiten vermochte, hinter dieser Schmugglerware her und durchsuchte die Kuriere an Stadt- und Reichsgrenzen. In besonderen Fällen ließ sie das Kuriergepäck sogar aus der Staatskanzlei auf die Hauptmaut schaffen und dort vor aller Augen auslegen, wobei eine Pariser Repetieruhr und ein Paar französischer Beinkleider zum Vorschein kamen. Drei Stunden lang mußte sich Hudelist mit zwei Mautbeamten herumschlagen, die einen Kurier an der Linie angehalten hatten 593 594). Ein ähnliches Mißgeschick — „un événement désagréable“ — hat Gentz ereilt, als er im Dezember 1815 mit zahlreichen Kurierpaketen aus Paris heimkehrte. Die Zollbehörde beschlagnahmte seinen Wagen und gab ihn erst auf Stadions unmittelbares Eingreifen hin frei 595 *). Später hat sich Gentz zu solchen Zwecken des Kuriers Leiden bedient. Auch in anderer Hinsicht dienten die Kurierfahrten als Mittel zu besonderen Zwecken. Junge Kavaliere und andere Personen von Rang und Stand, die in Privatangelegenheiten oder zu ihrem Vergnügen ins Ausland reisten, auch abgehende oder einrückende Urlauber ließen sich in solchen Fällen als Kabinettskuriere verwenden und ersparten sich dadurch viel Mühe und Geld 590). Hammer hat auf solche Weise 1825 eine Studienreise nach Italien unternommen. Auf demselben Wege ließ sich Metternich seinen Architekten, seinen Arzt, den Direktor des Antikenkabinetts u. a. auf seinen Sommersitz nachkommen, wenn er ihrer bedurfte. Maler Lieder wurde 1824 zum Studium der Lithographie als Kurier nach Paris geschickt und sein Kollege Ender im selben Jahre und auf dieselbe Weise nach Ischl entboten, damit er sich dort als Landschaftsmaler betätigen könne S97). Einer Sonderstellung hatten sich auch die Türhüter zu erfreuen, die den Aktenverkehr zwischen dem Staatskanzler und seinen Beamten, sowie zwischen diesen selbst vermittelten, die Erledigungen zustellten, den Kanzleibedarf anschafften und verrechneten, die Erlaubnisscheine für Postpferde ausfertigten, das Hausinspektorat versahen, die Gehälter behoben und austeilten u. dgl. m. Als Türsteher, die Metternich, wenn sie ihm — wie mehrere Jahrzehnte lang Josef Gigl — besonders zugewiesen waren, auch auf Dienstreisen mit sich nahm, bezogen sie jährlich besondere Dienstkleider und waren auch in der Staatskanzlei selbst untergebracht. So begehrt waren diese nach Kolowrat meist als Ruheplätze angesehenen Posten, daß sich 1842 sogar der Kupferstecher Mahlknecht darum beworben hat 598). Von den wirklichen, mit allen Vorrechten und Bezügen ihres Dienstpostens ausgestatteten Staatskanzleibeamten unterschieden sich jene, denen entweder der bloße Titel der nächsthöheren Dienststelle oder auch der 593) 40 VIII 4 Siber an Ottenfels Interiora 88. 5,11) 12 V 21 Hudelist an Mett. Interiora 74; 12 V 22 Beschwerde Zanonis 1. c. 69. M6) L. A s s i n g 1. c. i, 438 ff. 696) 29 V 31 Bittschrift der Kuriere Vorträge 380. 097) 24 VI 21, VIII i Mett, an Stürmer Interiora 83. 598) 42 X 29 Gesuch Mahlknechts Minister Kolowratsakten 2061/1842. 102