Lothar Groß: Inventare Teil 5. Band 1. Die Geschichte der deutschen Reichshofkanzlei von 1559-1806 (1933)

I. Die allgemeine Entwicklung der Reichskanzlei von 1559-1806 - 3. Die Reichskanzlei im Kampfe mit der österreichischen Hofkanzlei bis zum Rücktritt des Reichs Vizekanzlers Schönborn

Die inneren Mißstände der Kanzlei, besonders im Taxwesen, lenkten nach Walderdorffs Abgang, vielleicht nicht ohne Königseggs Zutun, die Aufmerksamkeit des Erzkanzlers auf sich und veranlaßten ihn unter dem 19. September 1669 ein Dekret zu erlassen, das hier Wandel schaffen sollte 196). Neben eingehenden Bestimmungen, die auf eine schärfere Handhabung der Taxvorschriften abzielten und die hier nicht erörtert werden sollen, war es die auch von finanziellen Rücksichten beherrschte Frage einer schärferen Kontrolle über die aus der Kanzlei auslaufenden Expeditionen, die hier behandelt wurde. Zu diesem Zwecke sollte ein Buch angelegt werden, in das jeder Schreiber täglich die von ihm mundierten Expeditionen, mochten sie nun taxpflichtig sein oder nicht, unter Angabe ihres Inhaltes verzeichnen sollte. Da die Sekretäre mit den in ihrer Ver­wahrung befindlichen Siegeln, die sie zur Besiegelung der politischen Schriftstücke benötigten, auch eigenmächtig taxpflichtige Stücke besiegelten und die Taxen für sich einhoben und dem Taxamt hinterzogen, verordnete Johann Philipp am 10. Oktober 1670, daß ein eigenes kaiserliches Korre­spondenzsiegel eingeführt werde, das nur für die nicht taxpflichtigen Expeditionen Verwendung finden sollte197). So nützlich diese Verord­nungen im Interesse des Taxamtes sein mochten, so wenig waren sie, be­sonders die über das Vormerkbuch, geeignet, den Beifall der Hofkreise zu finden, die nicht mit Unrecht aus dieser Einrichtung eine Gefährdung des Amtsgeheimnisses befürchteten. Die Sekretäre verstanden es, diese Befürch­tungen im eigenen Interesse auszunützen 198). Die Frage der Siegelführung der Sekretäre beschäftigte auch noch Johann Philipps Nachfolger, bei dem aber auch neuerliche Beschwerden gegen die Kanzlei einliefen, hauptsächlich von den Reichshofratsagenten, die über gewisse Gebührenforderungen des Registrators, der Sekretäre und Protokollisten sowie über unordentliche Ausfertigungen und mangelhafte Ordnung in der Registratur klagten 199). Die im Frühjahre 1673 *n Wien weilenden Gesandten des Kurfürsten, der Großhofmeister Wolf Heinrich Freiherr von Metternich und der Geheime Rat Johann Christoph Jodoci, hatten sich auch mit diesen Beschwerden zu befassen und sie zu untersuchen 20°). Die bei dieser Untersuchung über­reichten Rechtfertigungsschriften 201) lassen die Anschuldigungen der Reichs­hofratsagenten doch zumindest als stark übertrieben erscheinen, sie waren von dem Bestreben, die eigenen Kosten nach Möglichkeit herabzudrücken, diktiert. In den Vorschlägen, die nach der Rückkehr dieser Gesandtschaft nach Mainz zur Beseitigung der Kanzleimängel ausgearbeitet wurden, fanden auch die Beschwerden der Agenten keine besondere Berücksichtigung, sie laufen vielmehr größtenteils auf die Reform des Taxamtes und die Herab­drückung der Ausgaben sowie auf gewisse Verbesserungen im Kanzlei­ltm) Mzer. R. K. 18. — Ober die Zustände in der Kanzlei unterrichtet eine Denk­schrift „Ohnvorgreifliche Verbesserung etlicher mängel bei der reidishofcantzley und taxambt anno 1669“ i. Mzer. R. K. 24 (Konv. Reichshofkanzlei-Visitationsacta). 107) Vgl. Mzer. R. K. 25 a: Erzk. an R. V. K. 19S) Vgl. die Ausarbeitung des Sekretärs Beuer von 1675, in der die Gefahr des Verrates besonders betont wird (R. K. Verf. A. 14). I!m) Vgl. die Beschwerdeschriften i. Mzer. R. K. 24 u. R. K. Verf. A. 9. 2°°) Vgl. ihren Bericht v. 8. Juni 1673 i. Mzer. Korr. 55. 201) Mzer. R. K. 24: Rechtfertigungsschrift Beuers v. 14. Juni 1673, ebenda Ver­antwortung des Registrators. 57

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