Lothar Groß: Inventare Teil 5. Band 1. Die Geschichte der deutschen Reichshofkanzlei von 1559-1806 (1933)

I. Die allgemeine Entwicklung der Reichskanzlei von 1559-1806 - 3. Die Reichskanzlei im Kampfe mit der österreichischen Hofkanzlei bis zum Rücktritt des Reichs Vizekanzlers Schönborn

betrieb hinaus und befassen sich auch wieder mit den Siegeln der Sekre­täre 202). Als Ergebnis dieser Untersuchung ist die erzkanzlerische Ver­ordnung vom 15. November 1673 zu betrachten 202a). Sie wendet sich, wie schon so oft, mit einem Verbot gegen das Arbeiten der Sekretäre in ihren Privatwohnungen, trifft Bestimmungen, durch die die Ordnung in der Registratur gesichert werden sollte, verpflichtet die Reichshofratssekretäre, den Parteien und Agenten die Reichshofratsconclusa täglich mündlich zu eröffnen und gibt Vorschriften für die Gebühren und Beschaffenheit der Kopien der Reichshofratsconclusa und sonstiger Abschriften und befaßt sich mit einzelnen Übelständen im Taxamt. Von den Siegeln der Sekretäre spricht sie jedoch nicht. Hier konnte eine befriedigende Lösung im Sinne der erzkanzlerischen Interessen nicht erzielt werden. Das Einschreiten des Kaisers, der 1678 ausdrücklich ein Siegel für Beuer zur Besiegelung der ge­heimen Sachen forderte 203), machte die in Mainz geplante Maßregel, den Sekretären jedes Siegel zu entziehen, unmöglich, um so mehr, als hier große Vorsicht geboten war, um beim Kaiser und bei den Hof kreisen kein Miß­trauen zu erregen. Die letzten anderthalb Jahrzehnte der Vizekanzlerschaft Königseggs wird man mit Recht als eine Epoche der Konsolidierung und Wiedererstarkung der Reichskanzlei bezeichnen dürfen. Es hat freilich nicht an mancherlei Übelständen im Kanzleigetriebe gefehlt; so ließ besonders die Verläßlichkeit und Diskretion des unteren Kanzlei­personals mitunter zu wünschen übrig 204) und die Geldgier der höheren Beamten führte zu vielen Konflikten 20B). Die Intrige blühte auch unter den Reichskanzleibeamten. Diese Schattenseiten treten aber gegenüber der Tatsache, daß die Kanzlei einen sehr großen Teil ihres früheren Wirkungs­kreises wieder zurückgewonnen hatte und der Reichsvizekanzler wieder zu den führenden Ministern des Kaiserhofes gezählt werden konnte, zurück. Unter dem Nachfolger Königs­eggs, dem Grafen Windischgrätz, stiegen Stellung und Einfluß des Reichsvizekanzlers und mit ihm seiner Kanzlei noch bedeutend. Windischgrätz, der im Vereine mit Kinsky die kaiserliche Politik leitete, vermochte alle bisher dem Hofkanzler anvertrauten politi­schen Agenden an sich zu ziehen, so daß man schon davon sprach, daß die Hofkanzlei auf die Justizsachen beschränkt werden würde 206). Für diese Entwicklung der Dinge war nicht allein die Vertrauensstellung des Grafen Windischgrätz beim Kaiser und die persönlichen Vorzüge des Vizekanzlers ***) Mzer. R. K. 24, Visitationsakten. Nr. 2. — Es scheint, daß die 1670 angeordnete Maßnahme doch nicht zur Durchführung gelangt war, zumindest hatten Wilhelm Schröder und Walderode die Siegel behalten. 202a) Abschrift i. R. K. Verf. A. ix. 20:i) Mit dem eigenhänd. Billett an Königsegg v. 29. Juli 1678; dafür trat auch der Reichsvizekanzler in seinem Bericht v. 7. Aug. 1678 ein, Mzer. R. K. 25 a; vgl. über die Siegel auch S. 223 ff. 204) 1681 wurde gegen die Registranten Hövel und Frank eine Untersuchung ge­führt, weil sie gegen die Vorschriften einer Partei Einblick in die Akten gewährt hatten; vgl. Immun, u. Kzleistreitigk. 26, und das Schreiben Königseggs in dieser Sache in Mzer. R. K. 27. 206) Vgl. unten S. 131. 206) Vgl. den bei H a n t s c h, Reichsvizekanzler K. Fr. v. Schönborn, 74, zitierten Bericht des kurfürstlichen Residenten Gudenus. 58

Next

/
Thumbnails
Contents