Lothar Groß: Inventare Teil 5. Band 1. Die Geschichte der deutschen Reichshofkanzlei von 1559-1806 (1933)
VI. Biographische Daten und Betätigung der einzelnen Beamten - 3. Sekretäre der lateinischen Expedition
Einfluß auf die Politik des Kaisers ist wohl, wenigstens für die frühere Zeit, nicht zu bezweifeln. Zeitweilig scheint dieser sogar allein maßgebend gewesen zu sein, zumindest muß es gut unterrichteten Zeitgenossen so erschienen sein. So schreibt der Erzbischof Wolf Dietrich von Salzburg am i. Mai 1602 „Barvitio regiert alles“ 104). Zur Zeit als Coraduz, mit dem Barvitius schlecht stand, beim Kaiser ohne Einfluß war und durch einen anderen Mann ersetzt werden sollte, scheint auch der Plan bestanden zu haben, Barvitius zum Vizekanzler zu machen. Zumindest wissen wir aus einem Briefe des Erzherzogs Maximilian an Philipp Lang vom 14. Juli 1603, daß der Erzherzog dem Kaiser Barvitius für diesen Posten empfohlen hatte 104 a). Indessen fiel auch Barvitius zeitweilig in Ungnade. Schon im August 1600 zog er sich zum ersten Male den Zorn des Kaisers zu und durfte durch einige Zeit nicht vor dem Kaiser erscheinen. Bereits im Herbst 1601 war er jedoch wieder der einzige, der zum Kaiser durfte und oft drei bis vier Stunden bei ihm blieb 105). Im November 1606 schien auch ihn gleich seinem Widersacher Coraduz endgültig das Schicksal so vieler anderer Räte Rudolfs zu ereilen. Er wurde aus Brandeis, wo damals das kaiserliche Hoflager war, ausgewiesen. Wiewohl man ihm die Bearbeitung der bisher von ihm besorgten Angelegenheiten auch weiter beließ — wohl mangels eines geeigneten Ersatzes —, schien es mit ihm vorbei zu sein und Hannewald an seine Stelle zu treten. Im Laufe der nächsten Jahre hat Barvitius aber allmählich das Vertrauen Rudolfs zurückzugewinnen verstanden und schon 1608 sehen wir ihn wieder beim Kaiser ein- und ausgehen 106 107). Wir können hier nicht im einzelnen auf diese Wandlungen sowie auf die Frage seiner Stellung zu Spanien und Bayern, mit welch letzterem er in ständigem engen Verkehr stand, eingehen, sie müßten im Zusammenhang mit der kaiserlichen Politik eingehender untersucht werden, ebenso seine Rolle im Bruderzwiste im Hause Habsburg und seine Beziehungen zu Khlesl, die anscheinend im Jahre 1608 bei den Verhandlungen Khlesls mit dem Kaiser begannen 10T) und die wohl für die Aufnahme Barvitius’ in die Dienste des Mathias ausschlaggebend waren. Auch unter diesem Kaiser hat er die Stelle eines lateinischen Sekretärs weiter bekleidet. Anfänglich scheint er allerdings die Absicht gehabt zu haben, dem kaiserlichen Hof den Rücken zu kehren, da die schon im Januar 1612 von Mathias mit ihm begonnenen Verhandlungen wegen Übertritts in des Königs Dienste zunächst ergebnislos blieben und Barvitius im Mai Prag verließ, um sich nach Köln zu begeben. Doch schon bei der Wahl des Mathias finden wir ihn in dessen Dienst107 a). Eine Verstimmung Khlesls gegen ihn scheint nur vorübergehend gewesen zu sein 108). Der venezianische Gesandte Soranzo erwähnt 1614 in seiner Schlußrelation ausdrücklich, 104) ebda. 109, Anm. 375. 104 a) Fam. Akt. Kart. 46. — Ober das Verhältnis zu Coraduz vgl. A. O. Meyer, Nuntiaturber. IV, 301. 106) ebda. 152. 106) Vgl. S t i e v e, Briefe u. Akten 6, 294, 391, 527 f. 107) Hammer-Purgstall, Khlesls Leben, 2, 61 f. — Ober diese Beziehungen vgl. auch C h r o u s t, Briefe u. Akten 9, 346 u. 349. 107a) Ch roust, Briefe u. Akten 10, 283, Anm. 2. i°8) Vgl. Hammer-Purgstall 3, 21 f. u. Beilage 387. 27 417