Lothar Groß: Inventare Teil 5. Band 1. Die Geschichte der deutschen Reichshofkanzlei von 1559-1806 (1933)

I. Die allgemeine Entwicklung der Reichskanzlei von 1559-1806 - 2. Die Reichskanzlei unter Rudolf II. und Mathias

stücke. vorhanden sei, dieser aber bisweilen „wegen Armut und zufallender Accidentien“ mit der Arbeit aussetze, andererseits auch Khrenberg, der hier also wieder in engster Verbindung mit der Wiener Reichskanzlei­expedition genannt wird, nicht alles allein machen könne. Der Erzherzog stellte diese Forderung besonders im Hinblick auf die Arbeiten auf dem bevorstehenden ungarischen Landtag und verlangte auch eine Verbesserung der Besoldung der Beamten 78). Die finanzielle Lage der in Wien amtieren­den Reichskanzleibeamten war in der Tat trostlos. Ihre Korrespondenz mit dem Reichstaxator Mechtl in Prag ist eine einzige Klage über rüde­ständige Besoldungen, tiefe Verschuldung und Not79). Da in Wien Taxen nicht einliefen, waren die hier befindlichen Beamten ganz auf die Über­weisungen aus Prag, wo auch stets große Geldknappheit herrschte, ange­wiesen. Besonders hart wurden sie dadurch getroffen, daß ihnen für die Reisen nach Ungarn zum Landtag und in das Feldlager keine Zubußgelder ausbezahlt wurden und ihnen die vom Erzkanzler auf dem Regensburger Reichstag den Schreibern bewilligte Gehaltserhöhung von 5 fl. monatlich vorenthalten wurde. Um die Wiener Beamten einigermaßen bezahlt zu machen, griff man in Prag oft zu dem Auskunftsmittel, für in Österreich wohnhafte Parteien bestimmte Privilegien an die Beamten nach Wien zu senden und diesen die Einhebung der Taxen zu überlassen, doch versagte auch dieses Mittel bisweilen, wenn die Parteien ihre Privilegien nicht behoben. 1607 war die Lage, wie aus der Klage des Erzherzogs Mathias hervorgeht, besonders schlecht, die Kanzlisten wollten damals wegen Geld­mangels sich nicht zum Landtag nach Preßburg begeben. Schon das folgende Jahr brachte indessen das Ende der Wiener Expositur der Reichs­kanzlei. Rudolf II. trat 1608 bekanntlich Österreich, Ungarn und Mähren an Mathias ab. Die Abteilung der Reichskanzlei in Wien wurde nun auf­gelöst, ihre Geschäfte übernahm die nun selbständig gewordene Kanzlei des Königs Mathias 80). Sie hieß fortan königlicher Majestät österreichische Hofkanzlei, mit ihrer Leitung wurde Khrenberg betraut, der seit 1609 den Titel eines königlichen Hofvizekanzlers führte. Das Personal der aufge­lösten Reichskanzleiabteilung wurde mit Ende Juni 1608 nach Zahlung seiner Gehaltsrückstände abgefertigt81). Ein großer Teil wurde in die Kanzlei des Königs Mathias übernommen, so Schrötl und Grapler. Auf die Organisation dieser Kanzlei haben wir hier nicht weiter einzugehen. Erwähnt sei nur, daß Schrötl und vor allen anderen Grapler ihre Haupt­konzeptskräfte waren, daß aber auch Khrenberg auffallend viel selbst konzipiert hat. In wichtigen Stücken läßt sich auch sehr oft das Eingreifen Khlesls, der Mathias’ maßgebender Berater war, verfolgen 82). Die Lebens­dauer dieser Kanzlei war nur kurz, nachdem Mathias die Kaiserwürde 7S) R. K. Verf. A. 34 b: 1607 Aug. 25. 79) Ebda. ““I Über die Kanzlei Mathias’ und seine übrigen Behörden vgl. Fellner-Kretsch- mayr I/i, 148, u. I/2, 382 ff., wo eine Anzahl von Aktenstücken abgedruckt ist, die auch für die Zustände in der bisherigen Wiener Reichskanzleiabteilung sehr bezeichnend sind. 81) Vgl. R. K. Verf. A. 13: 1615 März 6. Bericht Findsguets, ferner Verf. A. 28 (Akt Fraunberger). 82) Reiches Material zur Geschichte der königlichen Kanzlei des Mathias befand sich im Staatsarch. d. Innern u. der Justiz in I A 1, Karton 2424 u. 2426. Es ist leider größten­teils dem Brande vom 15. Juli 1927 zum Opfer gefallen. 29 1

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