Lothar Groß: Inventare Teil 5. Band 1. Die Geschichte der deutschen Reichshofkanzlei von 1559-1806 (1933)
VI. Biographische Daten und Betätigung der einzelnen Beamten - 1. Die Reichsvizekanzler
ganzen Beamtenschaft, besonders aber mit Walderode und den beiden Schröder sowie dem Registrator Pipius, schlecht und beschuldigte sie beim Erzkanzler der Unordnung und Korruption 277). Weit bedeutsamer als in der Kanzlei war Walderdorffs Tätigkeit auf diplomatischem Gebiete. Wiewohl er während seiner ganzen Amtsführung dem Kurfürsten treu ergeben blieb und mit Recht als dessen Vertrauensmann galt 278), verstand er es doch, auch sich beim Kaiser Vertrauen zu erwerben. Schon vor seiner Ernennung hatte er sich bemüht, die Gunst des Kaisers anläßlich der Mediationsanerbietungen seines Kurfürsten im Kriege mit Schweden zu erringen 279). Leopold zog ihn bald nach dem Antritt des Vizekanzleramtes zu einer diplomatischen Mission ins Reich heran und schon im August 1660 wurde er an den Kurfürsten von Mainz abgeordnet 28°). Es gelang ihm auch in Mainz, in der dornigen Frage der Verlegung des Deputationstages von Frankfurt einen Ausgleich zwischen dem kaiserlichen und kurfürstlichen Standpunkt zu erzielen 281). Im Juni des folgenden Jahres wurde er abermals nach Mainz entsandt, um in der Frage des Türkenkrieges zu unterhandeln 282). Auch später, so 1662 und 1666, wurde Walderdorff mit diplomatischen Sendungen betraut. Über die nachteiligen Folgen, die 1667 aus seiner Sendung ins Reich für das Ansehen des Vizekanzlerpostens erwuchsen, wurde bereits berichtet 28S). Seine häufige Abwesenheit, während der er anfänglich vom Reichshofratsvizepräsidenten Georg Ulrich Graf Wolkenstein, später von dessen Nachfolger Leopold Wilhelm Graf Königsegg vertreten wurde, mochte der Kanzleiverwaltung nicht eben günstig sein. Besonders nachteilig für die Reichskanzlei war es aber, daß Walderdorff seinem eigenen Geständnis nach aus egoistischem Interesse, um seine Aussichten auf das Bistum Wien nicht zu gefährden, es bei der Verteidigung seiner Stellung gegen die Angriffe der Hofkanzlei an jeder Energie fehlen ließ. Walderdorff war, vom kaiserlichen Standpunkt gesehen, ein sehr bequemer Vizekanzler, die Interessen der Kanzlei hat er nicht gewahrt und dadurch auch trotz seiner engen Verbindung mit dem Erzkanzler dessen Rechte geschmälert. Sein Ziel erreichte er am 30. Juni 1669, als ihn der Kaiser, nachdem er ihn bereits 1663 samt seinen Brüdern Johann Philipp, Georg Friedrich und Emmerich Friedrich in den Reichsfreiherrnstand erhoben hatte 284), das Bistum Wien verlieh 285). Nach Walderdorff übertrug der Kaiser dem Reichshofratsvizepräsi- denten Leopold Wilhelm Graf Königsegg zunächst die provisorische 277) Vgl. seinen Ber. v. 26. Febr. 1662 (Mzer. R. K. 21), in dem er den Erzkanzler warnt, Pipius, der nebst seinem Vetter Walderode der ärgste Schädling an den erzkanz- lerischen Rechten sei, zum Taxator zu machen. Von den Brüdern Schröder sagt er „diese leut gehen alleinig ad praesens lucrum“. 278) Vgl. darüber Mentz 301. Molin nennt Walderdorff in seiner Relation v. 13. Dez. 1659 confidentissimo dell’ elettore, Pribram Venet. Dep. II/i, 354. 279) Pribram a. a. O. 362 u. 400. 28°) Pribram a. a. O. 469. 2S1) Vgl. Mentz 1, 101, Anm. 2 u. Pribram 511 u. 539. 282) Pribram a. a. O. 647. 283) Vgl. oben S. 52. 284) Das Konzept des Freiherrndiploms ist nicht erhalten, auch die Eintragung im Reichsregister fehlt. Wir besitzen jedoch das Notifikationsschreiben an das Reichskammergericht v. i. Sept. 1663 (Konz. Staatsarchiv d. Innern). 285) Vgl. Leopold an Pötting v. 3. Juli 1669 i. Font. rer. Austr. II/57, 34. 341