Lothar Groß: Inventare Teil 5. Band 1. Die Geschichte der deutschen Reichshofkanzlei von 1559-1806 (1933)

VI. Biographische Daten und Betätigung der einzelnen Beamten - 1. Die Reichsvizekanzler

Verwaltung des Vizekanzleramtes. Der Erzkanzler nominierte bereits am ii. Juli 1669 Königsegg zum Reichsvizekanzler und der Kaiser stimmte zu 286). Die Schwierigkeiten, die sich aus dem Wunsche Königseggs er­gaben, seine Stelle als Vizepräsident des Reichshofrates auch weiterhin bei­zubehalten, verzögerten jedoch seine Beeidigung und Installation bis zum 18. November 1669 287). Königsegg entstammte einem alten schwäbischen Geschlecht, das sich nach seiner in Württemberg im heutigen Oberamt Saulgau gelegenen Stammburg nannte. Es hatte sich im 17. Jahrhundert in die Linien Königsegg-Rothenfels und Königsegg-Aulendorf geteilt, Leo­pold Wilhelm gehörte der ersteren an 288). Wir besitzen von ihm eine gleichzeitige Biographie mit Porträt aus der Feder des Grafen Gualdo P r i o r a t o 289), die 1674 erschienen ist, also zur Zeit, als er das Reichs­vizekanzleramt bekleidete, und einige brauchbare Daten über sein Leben liefert. Ihr zufolge war Leopold Wilhelm, dessen Vater Hugo auch bereits im kaiserlichen und Reichsdienst sich betätigt hatte, 1629 geboren und 1650 an den kaiserlichen Hof gekommen, nachdem er sich in Auslandsreisen reiche Sprachkenntnisse erworben hatte. Von Ferdinand III. wurde er zum Kämmerer ernannt. Nachdem er schon 1651/1652 sich um Aufnahme in den Reichshofrat bemüht hatte, wurde er im folgenden Jahre zum Reichs­hofrat ernannt. Ein kaiserliches Dekret vom 14. August 1655 gestattete ihm, neben seiner Stelle als Reichshofrat im Ranffischen Regiment zu dienen 29°). Nach dem Tode Ferdinands III. begleitete er Leopold zur Wahl nach Frankfurt und befand sich auch weiterhin in der engeren Um­gebung des Kaisers, so als dieser 1660 die innerösterreichischen Länder be­reiste. Er erwarb sich das Vertrauen des Kaisers und wurde auch wiederholt zu diplomatischen Missionen herangezogen, so 1660, 1663 und 1665, in welch letzterem Jahr er an den Mainzer und Pfälzer Hof entsandt wurde. Am 21. April 1666 wurde er zum Vizepräsidenten des Reichshofrates er­nannt 29°). Königsegg wurde auch mehrmals die Vertretung des Reichs­vizekanzlers Walderdorff anvertraut, besonders auch im Juli 1667, als Walderdorff ins Reich entsandt wurde 291). Damals schon hatte er Gelegen­heit, die Schwierigkeiten kennen zu lernen, mit denen ein Reichsvizekanzler in Zukunft gegenüber der immer mehr aufstrebenden österreichischen Hof­kanzlei rechnen mußte. Als im April 1669 Walderdorffs Ernennung zum Bischof von Wien in naher Aussicht stand, bewarb er sich beim Erzkanzler, mit dem er wiederholt in Fühlung gekommen war, lebhaft um das Vize­kanzleramt 292). Die großen Schwierigkeiten, mit denen er, als er sein Ziel erreicht hatte, in den ersten Jahren zu kämpfen hatte, und wie er erst allmählich in zähem Ringen seiner Kanzlei neben der österreichischen Kanzlei 286) R. K. Verf. A. 2. • 287) Vgl. oben S. jj. 288) Vgl. über die Familie Kneschke; Adelslexikon 5, 196. "s“) Vite e Azzioni di Personaggi militari e politici, Vienna 1674. Ich verdanke den Hinweis auf dieses Budi meinem Kollegen Prof. Dr. Otto Brunner. — Porträts der Staatsmänner Leopolds, darunter auch Königseggs, bei Weingarten, Fürstenspiegel od. Monarchia d. hochlöbl. Erzhauses Österreich. 290) r H. R. Verf. A. 29. — Hier auch ein kais. Dekret v. 7. Jan. 1652 betr. Königs­eggs Bewerbung um einen Reichshofratsposten. m) Mzer. R. K. 3. 202) Mzer. R.K. 3: 1669 April 4. 342

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