Lothar Groß: Inventare Teil 5. Band 1. Die Geschichte der deutschen Reichshofkanzlei von 1559-1806 (1933)

VI. Biographische Daten und Betätigung der einzelnen Beamten - 1. Die Reichsvizekanzler

innerer Überzeugung entsprach, da man ihn auch beschuldigte, von den ungarischen Protestanten bestochen zu sein. Jedenfalls betrachtete ihn der Nuntius Ferreri mit Argwohn, wiewohl Coraduz es gelegentlich an Ver­sicherungen, für den Katholizismus einzutreten, nicht fehlen ließ 153). Die schlechte Meinung Ferreris über Coraduz wurde durch dessen Beziehungen zu den sächsischen Protestanten und dessen Verhalten im Streite der päpstlichen Kurie mit der Republik Venedig, in dem Coraduz sicht­lich auf Seite Venedigs stand, bekräftigt. Im Juni 1605 trat eine vorübergehende Trübung in seinem Verhältnis zum Kaiser ein, Coraduz reichte zum Schein ein Entlassungsgesuch ein, um auf Rudolf einen gewissen Drude auszuüben, da der Geschäftsgang infolge der Fülle des Unternommenen ganz ins Stocken zu geraten drohte154). Es war dies jedoch nur eine vorübergehende Verstimmung. Erst das Jahr 1606 brachte das Ende der kaiserlichen Gunst und die Entlassung Coraduzens. Die steigende Geisteskrankheit des Kaisers und sein Zorn über die Friedens­verträge mit den Ungarn und Türken führten im Herbst 1606 zu besonders heftigen Ausbrüchen gegen seine Räte. Seit Oktober war Coraduz ein erledigter Mann, schon am 2t. dieses Monates meldete Bodenius, Stralendorff solle Reichsvizekanzler werden 15B). Am 24. No­vember notifizierte Rudolf II. dem Erzkanzler die Enthebung Coraduzens, die offiziell mit Krankheit begründet wurde 15e) und die am 30. November zu Leitmeritz erfolgte 157). Kurze Zeit darauf verließ Coraduz den Kaiser­hof, um in seine Heimat abzureisen, nachdem auch seine Hoffnung, kaiserlicher Gesandter in Venedig zu werden, fehlgeschlagen hatte. Der Erzkanzler gewährte ihm eine Gnadenzahlung von 1000 fl.158), vom Kaiser schied er ohne Abschied und ohne die übliche Belohnung159). Fragen wir nun noch, wie seine Tätigkeit sich in den Akten der Kanzlei widerspiegelt, so läßt sich von der ihm vorgeworfenen Lässigkeit hier nichts feststellen. Eigenhändige Konzepte allerdings sind eben so selten wie Korrekturen in solchen anderer, hingegen finden sich viele Dorsual- vermerke, die kurze Auszüge der betreffenden Schriftstücke enthalten und auf vielen Akten Präsentationsvermerke von seiner Hand 16°). Bei den für den Reichshofrat bestimmten Stücken steht außer dem Einlaufs­datum stets das Wort hofrath. Sorgfältig pflegte Coraduz auf Relationen des geheimen Rates an den Kaiser, die er diesem selbst vorgetragen hatte, diese Tatsache und die Genehmigung des Kaisers zu vermerken, ebenso auch, wenn der Vortrag, wie dies besonders während der Periode seiner Einflußlosigkeit der Fall war, durch einen anderen der geheimen Räte erfolgt war. Diese Sorgsamkeit entsprang dem Bestreben, sich zu decken und die Verantwortlichkeit anderer Personen bei wichtigen Beschlüssen sicherzustellen, eine Vorsicht, die bei den Verhältnissen, wie sie damals 163) Ebda. 740, Nr. 763 f. 164) Ebda. 403. 155) Stieve, Briefe u. Akten 5, 818. 1M) R. K. Verf. A. 2. 157) R. Taxbuch 1606. 158) R. Taxbuch 1607. 169) Stieve, Briefe u. Akten j, 818, Anm. 3. 160) Vgl. etwa Ungarn 130 u. 135, R. H. R. Jud. lat. 278, Feuda lat. Kart. 24. 325

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