Lothar Groß: Inventare Teil 5. Band 1. Die Geschichte der deutschen Reichshofkanzlei von 1559-1806 (1933)

VI. Biographische Daten und Betätigung der einzelnen Beamten - 1. Die Reichsvizekanzler

kam Coraduz rasch empor. Als nach dem Tode Kurzens der mit der Führung des Vizekanzleramtes betraute Freymon sich eben auf einer Gesandtschaftsreise befand, wurde Coraduz mit seiner Stellvertretung beauftragt. Dies brachte ihn wohl auch in den geheimen Rat, als dessen Mitglied wir ihn bereits im Juli des Jahres 1594 feststellen können137). Ende des Jahres ging Coraduz dann als Gesandter des Kaisers zu Erzherzog Ferdinand nach Innsbruck und weiter nach Rom zum Papst, um die Türkenhilfe bei der Kurie und in Italien zu betreiben138). Aus Rom liegen zahlreiche eigenhändige Berichte an den Kaiser vor 139). In Rom verweilte er bis in den Beginn des Jahres 1596. Der im folgenden Jahre erfolgte Rücktritt Freymons veranlaßte den Kaiser, Coraduz zum Reichs­vizekanzleramtsverwalter zu bestellen, wovon er den Erzkanzler am 15. Oktober 1597 in Kenntnis setzte140). Seine Amtstätigkeit in der Reichskanzlei fällt in die Zeit der nunmehr zum Ausbruch gelangenden Geisteskrankheit des Kaisers mit allen ihren verderblichen Folgen für dessen Umgebung und seine ganze Regierung. Das krankhafte Mißtrauen Rudolfs läßt oft sozusagen über Nacht gerade seine einflußreichsten Rat­geber in tiefe Ungnade und völlige Einflußlosigkeit sinken. Dies hat auch Coraduz in vollem Maße erfahren. A. O. Meyer hat in einer ausge­zeichneten aus den Nuntiaturberichten geschöpften Charakteristik dieses Mannes gezeigt141), wie dessen schillerndes ebenso unzuverlässiges wie widerspruchsvolles Wesen ihn zum Minister Rudolfs II. wie geschaffen erscheinen ließ. Als Coraduz die Verwaltung des Vizekanzleramtes über­nahm, waren Rumpf und Trautson die maßgebenden Berater des Kaisers, hinter denen er weit zurückstand. Wenn er nun auch nicht so leichten Zutritt zum Kaiser hatte wie Rumpf 142), so lag doch die Erledigung der Geschäfte, soweit sie durch die Reichskanzlei ging, durchaus in seinen Pländen. Im Mai 1598 klagt er in einem Schreiben an die Erzherzogin Maria von Steiermark 143), mit der er in sehr guten Beziehungen stand und die er in seinen Briefen stets als seine natürliche Landesfürstin bezeichnet, über die Fülle der Geschäfte, daß er alle Reichssachen, deutsche wie welsche, die siebenbürgische und tirolische Expedition neben dem Kriegswesen allein auf dem Flalse habe und die tirolischen Sachen allein eines eigenen Kanzlers bedürften. Die Erfahrungen, die er in Italien gesammelt hatte, waren wohl dafür bestimmend, daß er 1599 im Mai abermals dorthin entsandt wurde, um bei den italienischen Fürsten finanzielle Hilfe für den Türkenkrieg zu suchen144). Während seiner Abwesenheit, die bis in den November des Jahres 1599 währte, vertrat ihn der geheime Rat Johann Hildebrand Meeker von Balgheim 145). Das Jahr 1600 brachte die erste große Krise im Verhältnis zwischen Coraduz und dem Kaiser. Er wurde gleichzeitig 137) Vgl. seinen Brief an die Erzhzgin. Maria v. Steiermark v. 19. Juli 1394 i. Fam. Korr. A Kart. 34. 138) Hirn, Ferd. v. Tirol 2, 309, u. S t i e v e, Briefe u. Akt. 4, 296 u. 5, 247, Anm. 1. 13B) Rom 42. 14°) R. K. Verf. A. 2. 141) Nuntiaturber. IV/i, S. LXXI f. 14S) Vgl. S t i e v e, Verhandlungen 36. 143) Fam. Korr. A Kart. 34. 144) Vgl. Stieve, Briefe u. Akten j, 557, Anm. 2 u. Verhandlgen. 37, Anm. 102. 145) Über Meeker vgl. Stieve, Verhandlgen. 37, Anm. 102. 21* 323

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