Lothar Groß: Inventare Teil 5. Band 1. Die Geschichte der deutschen Reichshofkanzlei von 1559-1806 (1933)

I. Die allgemeine Entwicklung der Reichskanzlei von 1559-1806 - 1. Die Neuorganisation der Reidiskanzlei im Jahre 1559 und ihre Entwicklung bis zum Tode Maximilians II

reichstag zu Augspurg anno 1559 der römischen canzlei und kayserlichen siegl halb fürgangen“. Es ist zweifellos eine amtliche Aufzeichnung aus der Mainzischen Kanzlei, großenteils eigenhändig vom kurfürstlichen Rat und Sekretär Simon von Baghen geschrieben3a), die die zwischen den Parteien gewechselten Schriftstücke vollständig wiedergibt und uns auch den Verlauf der großenteils mündlich geführten Verhandlungen eingehend schildert. Schon am 13. Februar, unmittelbar nach seiner Ankunft in Augsburg, sprach der Erzkanzler den Kaiser an und erbat von ihm die Eröffnung der zu Frankfurt beschlossenen Verhandlungen, zu deren Führung er die Entsendung des kaiserlichen Vizekanzlers Dr. Seid zu ihm anregte sowie die Übergabe des großen kaiserlichen Siegels. Der Kaiser willfahrte allsogleich der Bitte nach Übersendung des großen Siegels und ließ dem Erzbischof auch die aus der Kanzlei auslaufenden Urkunden zur Unterfertigung zugehen. Seid hingegen beeilte sich mit seinem Kommen nicht allzu sehr. Es vergingen einige Tage, die der Kurfürst zur Durch­arbeitung seiner von ihm in vorsorglicher Weise mitgeführten Registratur und Aufsuchung der ihm erforderlichen Beweisdokumente benützen ließ. Schließlich berief der Kurfürst Seid zu sich und eröffnete ihm seine Beob­achtungen über die Unregelmäßigkeiten bei den Unterzeichnungen der kaiserlichen Urkunden 4) sowie seine Rechtsanschauung, daß ihm sämtliche kaiserlichen Siegel, nicht nur das große, zuzustellen wären. Seid nahm die Erklärungen Daniels zur Kenntnis und riet zu ihrer schriftlichen Darlegung, im übrigen versprach er eine Gegenerklärung des Kaisers, der sich gewiß wohlwollend erzeigen werde, zu erwirken. Am 28. Februar erschien der Vizekanzler wieder und machte dem Erzkanzler im Auftrag des Kaisers den Vorschlag, den Vorsitz im kaiserlichen Hof rat zu übernehmen, so wie es Daniels Vorgänger 1350 getan, dann könne er am besten die Kontrolle der ausgehenden Schriftstücke ausüben, da ihm dann nur solches zur Signierung zukommen werde, was unter seinem Vorsitz beschlossen worden. Auf die allgemeinen Forderungen des Kur­fürsten antwortete Seid sichtlich ausweichend, daß man sich des „geprauchs“ nicht erinnere, und riet dem Kurfürsten schließlich, die inzwischen fertig­gestellte Ausarbeitung über seine Erzkanzlerrechte dem Kaiser zu über­senden, was auch am 3. März geschah. Es macht durchaus den Eindruck, daß man am Hofe Ferdinands ursprünglich gehofft haben mochte, den Erzkanzler durch die Überlassung des Siegels und das Unterzeichnungs­recht sowie durch den Vorsitz im Rate für die Dauer des Reichstages abzu­finden. Aus der Denkschrift des Erzkanzlers 5) mußte man indessen ent­nehmen, daß er mit diesen Zugeständnissen sich nicht zufrieden gab, sondern vielmehr die dauernde Leitung der Kanzlei und das Recht der Ernennung ihrer Beamten für sich forderte. Als Beweisstücke waren den erzkanzleri- schen Ausführungen Abschriften der bekannten kaiserlichen Urkunden6), vor 3a) Es ergibt sich dies aus dem Bericht Simons von Baghen an den Erzkanzler v. 9. Febr. 1565 i. Mzer. R. K. 1. — Über Baghen vgl. Krause a. a. O. 44, Anm. 24. 4) Vielfach fehlte auf diesen die Unterschrift des Vizekanzlers und des Sekretärs, andere waren außer vom Kaiser nur von einem Sekretär unterzeichnet. 5) Es handelt sich um die von Seeliger a. a. O. in, Anm. 1, als nicht erhalten bezeichnete Denkschrift. “) Vgl. oben S. 1 f. 6

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