Lothar Groß: Inventare Teil 5. Band 1. Die Geschichte der deutschen Reichshofkanzlei von 1559-1806 (1933)
I. Die allgemeine Entwicklung der Reichskanzlei von 1559-1806 - 1. Die Neuorganisation der Reidiskanzlei im Jahre 1559 und ihre Entwicklung bis zum Tode Maximilians II
allem der Privilegien Adolfs und Albrechts L, sowie der Kanzleiordnungen Erzbischof Bertholds und Maximilian I. angeschlossen. Schon am 10. März überreichte Seid dem Erzkanzler die vom 9. März datierte kaiserliche Antwort7), die, im wesentlichen auf dem bisherigen Standpunkte beharrend, dem Erzkanzler zwar für die Zeit seiner Anwesenheit am Hoflager die volle Leitung der Kanzlei einräumte, eine dauernde Einwirkung des Erzkanzlers auf die Kanzlei aber rundweg ablehnte. Mit Recht verwies die Darlegung des Kaisers auf die Bestimmungen der goldenen Bulle über den Hofkanzler und die tatsächlichen Verhältnisse in der Kanzlei in der Vergangenheit wie auch auf die Stellung des Großkanzlers unter Karl V. Die Argumente der kaiserlichen Schrift vermochten jedoch an der Haltung des Erzkanzlers nichts zu ändern. Nach eingehender Beratung betraute er seinen Kanzler mit der Ausarbeitung einer Gegenschrift8), die am 15. März Seid überreicht wurde und in der sich der Mainzer Kanzler zu erweisen bemühte, daß unter dem Kanzler der goldenen Bulle der spätere Vizekanzler, dessen Ernennungsrecht der Erzkanzler für sich in Anspruch nahm, zu verstehen sei. Um dies zu erhärten, führte er eine größere Zahl von Rekognitionen aus Kaiserurkunden seit den Zeiten Ottos des Großen an. Die Existenz eines Großkanzlers unter Karl V. suchte er mit der Behauptung, daß dessen Funktionen sich auf die übrigen vom Reiche getrennten Länder des Kaisers erstreckt hätten und mit dem Hinweis, daß dieses Amt, an die Person Gattinaras geknüpft, mit dessen Tode auf gehört hätte, zu entkräften. Als Seid die Mainzer Replik zum Vortrag an den Kaiser übernahm, erklärte er, daß bei der kaiserlichen Kanzlei kein hinreichendes Material zur Feststellung der früheren Kanzleiverfassung vorhanden sei und auf dem Wege der schriftlichen Verhandlungen den Schwierigkeiten nicht abgeholfen werden könne, weshalb er den Kurfürsten um seine Zustimmung zur Führung mündlicher Verhandlungen bäte, zu denen der Kaiser neben ihm noch zwei Bevollmächtigte abordnen werde. Diesem Vorschlag gemäß erschienen am 22. März neben Seid Leonhard von Harrach, kaiserlicher Hofrat, und Georg Ilsung, Landvogt in Schwaben, beim Erzkanzler und Seid trug nochmals in ausführlicher Rede den kaiserlichen Standpunkt vor. Die Ausführungen des Vizekanzlers, der die Mainzer Replik förmlich Punkt für Punkt zerpflückte, müssen, trotzdem er betonte, daß der Kaiser sich des „missverstands“ wegen der Kanzlei nicht versehen und daher nicht das nötige Beweismaterial aus den alten Dokumenten habe heraussuchen lassen, als vollkommen überzeugend und durchschlagend für jeden Unbefangenen beurteilt werden, wie ja an der Berechtigung der Haltung des Kaisers kein Zweifel sein kann. Der Kaiser begnügte sich jedoch nicht mit der negativen Kritik an der Denkschrift des Erzkanzlers, Seid machte auch einen positiven Vorschlag 9), der wenigstens die Kanzleiverhältnisse während des Reichstages regeln sollte. Diesen Vorschlägen zufolge sollte dem Erzkanzler das Ernennungsrecht der Beamten mit Zustimmung des Kaisers zustehen und diese sollten auch dem Erzkanzler eidlich verpflichtet werden, die Regelung der Frage der Unterschriften sollte dem 7) Gedruckt bei Seeliger 217 ff. 8) In dem erwähnten Bande fol. 31 ff., wohl identisch mit der von Seeliger 114, Anm. i, erwähnten lateinischen Denkschrift im Würzburger Archiv. 9) Seeliger kannte nur diesen Vorschlag. 7